Rezension

Melancholisch und traurigschön

Stoner - John Williams

Stoner
von John Williams

Bei "Stoner" handelt es sich um einen vergessenen und glücklicher Weise wiederentdeckten Roman des amerikanischen Literaturwissenschaftlers und Schriftstellers John Williams (1922-1994). Der Roman erschien bereits 1965 und wurde erst 2006 wieder entdeckt und aufgelegt, 2013 ist jetzt bei DTV die erste Übersetzung ins Deutsche erschienen.
Ein Literaturkritiker hat ihn als "perfekten Roman" gelobt, was natürlich eine grandiose Anerkennung für ein Buch bedeutet, für das sich viele Jahrzehnte nur sehr wenige Leser interessiert haben. Zugleich weckt ein solches Etikett natürlich auch Erwartungen bei seinen potentiellen Lesern - sie suchen die gepriesene Perfektion und werden vielleicht enttäuscht, vielleicht aber auch durch einen in der Tat perfekten Lesegenuss bereichert.
Was für mich zutrifft? Nun, ich kann wirklich sagen dass "Stoner" mich angesprochen hat wie es ein Klassiker tun sollte: man weiß dass man da etwas liest, das eine gewisse Allgemeingültigkeit besitzt, das es so sein soll wie es ein sehr gutes Buch ist, das über seine Zeit hinaus wirken und beeindrucken kann. "Stoner" beeindruckt - durch seine klare Sprache, die Zeichnung seines Protagonisten und die doch an vielen Stellen banale Durchschnittlichkeit seines Schicksals und seines Lebens.
Zum Inhalt: William (Bill) Stoner (allein der Name ist schon der eines "Jedermanns") wächst in einfachen ländlichen Verhältnissen auf, seine armen Eltern sparen um ihm eine gute Ausbildung und ein landwirtschaftliches Studium in Missouri zu ermöglichen. An der Universität entdeckt er aber, nicht zuletzt durch einen engagierten Professor, seine Liebe für die englische Literatur und wechselt das Hauptfach. Er ist überdurchschnittlich gut, promoviert und wird Dozent am Institut. Der erste Weltkrieg kommt dazwischen, allerdings wird Stoner nicht eingezogen und kann weiter im Elfenbeinturm seiner Lehranstalt bleiben. Er geht eine Ehe mit einer aus einer gutsituierten Familie stammenden Frau ein und heiratet sie. An der Universität wird ihm das Leben und Unterrichten teilweise nicht einfach gemacht - universitätspolitische Intrigen verhindern, dass er ganz nach oben gelangt.
Das war es auch schon, die Handlung ist überschaubar, das Leben dieses Mannes chronologisch abarbeitend und das erzählend, was erzählenswert scheint. Es scheint als würde hier eine tatsächliche Biographie erzählt, so "unspektakulär" ist das Schicksal Stoners, des akademischen Jedermannes im Amerika des frühen 20. Jahrhunderts. Tatsächlich hat auch der Autor John Williams an "Stoners" Universität studiert, er war dort Dozent und weiß deshalb wovon er spricht. Von einer Autobiographie zu reden wäre aber dennoch vermessen und vermutlich falsch. Stoner ist Stoner, eine literarische Figur, die durch ihr unspektakuläres Schicksal berührt, welches vom Autor John Williams meisterlich und zwar mit kühler Distanz, aber dennoch mit einer gewissen Wehmut erzählt wird.
Interessant und sicher spannend ist dass der Leser schon im Prolog einen Abriss von Stoners Leben und seines wenige Spuren hinterlassen habenden Lebens gibt und damit jegliche Spannung herausnimmt. Das ist auch gut so, denn so bekommt die ganze Handlung einen poetischen Hauch, der über die Geschichte weht wie ein klarer Tag im Frühherbst - man weiß was kommt, nämlich die Kälte, aber man nimmt sie mit einer melancholischen Vorfreude entgegen.