Rezension

Menschen und ihre Leidenschaft, die Leiden schafft

Erste Liebe - Iwan Turgenjew

Erste Liebe
von Iwan Turgenjew

Bewertet mit 4.5 Sternen

Erste Liebe ist eine Erzählung des russischen Autors Iwan Turgenjew (1818-1883), die 1860 erstmalig veröffentlicht wurde.

Die Rahmenhandlung beschreibt drei ältere Herren, die nach einer grösseren Gesellschaft zusammen sitzen und sich gegenseitig die Geschichte ihrer ersten Liebe erzählen wollen.

Die Novelle nun handelt von der Erinnerung eines der Herren an seine  aussergewöhnliche erste Liebe und beginnt mit den Worten:

´´Ich war damals 16 Jahre alt. Es war im Sommer 1833. Ich wohnte in Moskau bei meinen Eltern. Sie hatten sich beim Kalugaschen Tor, gegenüber dem Neskutschnij-Garten eine Villa gemietet. - Ich bereitete mich auf die Universität vor, arbeitete aber sehr wenig und ohne mich zu beeilen. Niemand beengte meine Freiheit.´´

Wladimir Petrowitsch ist der junge Ich-Erzähler, aus gutem adeligen Haus, mit dem man auf knapp 100 Seiten seine erste Liebe,  seine erste Leidenschaft erlebt, die sich an der Nachbarstochter Sinaida Sassjekin entzündet. Mit Wladimirs Verliebtheit beginnt sein Leiden und endet seine Freiheit. Ein erster Anblick und eine bald folgende erste Begegnung ziehen Wladimir in den Bann der schönen Sinaida, die 5 Jahre älter und ihm weit überlegen ist. Mit einer besonderen Mischung aus Direktheit, Berechnung, Intelligenz, natürlichem Liebreiz, echter Zuneigung und Koketterie inszeniert und leitet Sinaida die Bekannschaft und Beziehung mit Wladimir und er lässt sich in den Kreis ihrer fünf weiteren, oft präsenten Verehrer, ein Dokor, ein Dichter, ein Hauptmann a.D., ein Husar und ein Graf integrieren.  
Diese fünf, mit Wladimir nun im Rausch seiner Gefühle, sechs Verehrer bilden das kollektiv verliebte  Planetensystem, von dem jeder auf seiner persönlichen Umlaufbahn um das Zentralgestirn Sinaida kreist und ihrer individuellen Gunst und Zuwendung harrt und hofft und diese auch teilweise und im Wechsel erhält. 
Die durchaus beklemmende Konstellation, untermalt von von dem zwar adeligen, aber verarmten, beinahe verkommenen Elternhauses Sinaidens und ihrer vulgär dargestellten Mutter wird intensiviert, als deutlich wird und Wladimir zu bemerken beginnt, dass die selbstbewusste, aber eben auch junge Sinaida plötzlich ihrerseits in den Bann eines Anderen geraten scheint und liebt und leidet. Als Leser hat man, anders als Wladimir, eine relativ klare Vorstellung, wer der Unbekannte ist, was einfühlsam die Jugend und Unerfahrenheit des Protagonisten unterstreicht. Alle Charaktere und Beziehungen sind genau skizziert und intim wird man als Leser mit der leidenschaftlichen Liebe aller Figuren konfrontiert, die auf Grund der Nichterwiderung, bzw. der Umstände, Leiden und Unglück schafft.  Die kleine Tragödie nimmt ihren Lauf und während ich mich als Leser sehr berührt fühlte, aber noch auf der sicheren Seite wähnte, traf das Ende und der letzte Satz mitten ins Herz und den Geist.

Eine berührende intensive Novelle über Menschen in ihren gesellschaftlichen Umständen und ihre Leidenschaft als zentrales Thema.