Rezension

Menschenverachtende Dystopie

Menschenjagd - Stephen King

Menschenjagd
von Stephen King

Bewertet mit 4 Sternen

Das Reality-TV im Jahr 2025 hat es in sich. In der Show 'Running Man' werden die Kandidaten zum Freiwild erklärt. Neben professionellen Killern macht die ganze Nation Jagd auf sie und bisher hat keiner überlebt. Dennoch stellt sich Benjamin dem perfiden Spiel, weil dem Gewinner eine Milliarde Dollar winkt. Die Menschenjagd beginnt.

"Menschenjagd" ist ein dystopischer Roman aus der Feder des Meisters des Horror. Stephen King prangert thematisch Umweltverschmutzung, mangelndes Sozialwesen und Volksverblödung durch das Fernsehen an.

Benjamins Welt ist von sozialer Ungerechtigkeit geprägt. Arbeitslosigkeit, Mangelernährung, Verwahrlosung und eklatante Umweltverschmutzung sind alltäglich. Wer einen Job hat, setzt meist die Gesundheit auf's Spiel. Wer dies vermeidet, landet trotz aller Bemühungen in einer Abwärtsspirale, weil es kaum gute Arbeit gibt. Damit dreht ein Rad das nächste, da sich aus der Arbeitslosigkeit Geldnot, mangelnde qualitative Nahrung und zusätzlich keine medizinische Grundversorgung ergibt. 

Benjamins kleine Tochter ist krank. Es schüttelt sie, das Fieber steigt und die Eltern sehen hilflos zu. Es gibt nur einen Ausweg für Ben: Er tritt als Kandidat bei 'Running Man' an. 

'Running Man' ist eine beliebte Reality-TV-Show. Die Kandidaten werden auf die Nation losgelassen und allerorts gejagt. Nach 30 Tagen winken dem Gewinner eine Million Dollar, allerdings hat dies bisher kein Kandidat geschafft.

Obwohl Gesellschaftskritik für Stephen King typisch ist, stellt er sie bei "Menschenjagd" aktiv in den Vordergrund. Die Welt im Jahr 2025 ist trist, düster, schmutzig, und soziale Ungerechtigkeit, sowie eine lethargische Chancenlosigkeit, macht sich breit. Die Menschen sitzen vorm Bildschirm, lassen sich berieseln, und hoffen auf das kleine Glück, wenn ein Gewinn winkt. 

Die Handlung selbst stellt Benjamins Jagd in den Mittelpunkt. Dabei erklärt King die Spielregeln und Rahmenbedingungen der Show, Bens Motivation, seinen Hintergrund und zeigt letztendlich, was ihn zu einem außergewöhnlichen Kandidaten macht. 

Bens Jagd bietet zahlreichen Wenden, die meistens überraschend sind. Einerseits ist er ein gebildeter Mann, der Brutalität und Gewalt verabscheut. Andrerseits ist er ein zäher Kerl, der für seine Familie alles in Kauf nimmt. Diese innere Zerrissenheit ist deutlich spürbar, während Actionszenen das Tempo ankurbeln.

Kings Erzählstil ist ungeschönt, skrupellos und distanziert. Er schreibt offensichtlicher, kritischer und härter als ich es von seinen anderen Romanen kenne. Es wirkt als ob es ihm nicht um die Geschichte selbst, sondern tatsächlich um die Kritik darin geht.

Insgesamt habe ich diesen Roman sehr gern gelesen, auch wenn das Grauen eher vom traurigen Gesellschaftsentwurf kommt. Ich hoffe sehr, dass wir Menschen nicht gar so passiv zuschauen, wenn wir von Innen heraus bedroht sind, und uns auf unsere Füße stellen. Allerdings - wenn man Reality-TV genauer betrachtet - ist es mit der menschlichen Würde nicht weit her, weil dies tatsächlich unserer Fernsehgegenwart entspricht.

Meiner Meinung nach ist „Menschenjagd“ ein weiteres, lesenswertes Buch von Stephen King, der diesmal, neben dem gewohnten Horror, in erster Linie Kritik an einer menschenverachtenden Gesellschaftshaltung in den Mittelpunkt stellt.