Rezension

Meter pro Sekunde

Meter pro Sekunde
von Stine Pilgaard

Es ist der Titel des Buches, der mich in erster Linie neugierig auf diesen Roman gemacht hat. „Meter pro Sekunde“  -  eine Geschwindigkeitsangabe, allerdings ohne konkretes Maß. Was sagt er aus?

Zunächst zum Inhalt: Eine junge Frau folgt ihrem Partner in das Westjütländische Velling, wo er einen Job als Lehrer der örtlichen Volkshochschule antritt. In diesem Ort, wo "das grammatikfreie Festhalten an der Tradition" üblich ist und sich die sprachliche Kommunikation auf das Wesentliche beschränkt, empfindet sie sich als „Anhängsel“ ihres Partners, reduziert auf ihre Rolle als Partnerin und Mutter und nimmt die angebotene Stelle als „Kummerkasten-Tante“ an.

Empathisch, aber auch mit viel Humor schildert Stine Pilgaard die Gedanken und Erlebnisse der jungen Frau. Sie bedient sich dabei einer sehr bildreichen Sprache. Ebenso locker und offenherzig wie ihre Protagonistin denkt und handelt, ist auch Pilgaards Schreibstil, rasch und leicht lesbar. Doch unter der Oberfläche und dem oft ironischen Ton klingt immer wieder eine tiefer gehende Nachdenklichkeit an. Selbst die manchmal banal erscheinenden Kummerkasten-Fragen führen zu erstaunlichen Antworten.

Ein ganzes Schuljahr umfasst der Roman, unterteilt in drei Kapitel, die wiederum aus einer Aneinanderreihung szenischer Erzählungen bestehen, hin und wieder unterbrochen von Kummerkasten-Briefen und Liedtexten  -  ein Jahr voller neuer Eindrücke, Erfahrungen, Einsichten, Fortschritte. Der Prozess der Weiterentwicklung verläuft von Mensch zu Mensch durchaus unterschiedlich; der eine kommt sehr schnell voran, der andere etwas langsamer, manch einer bleibt gar stehen. Wieviele Meter pro Sekunde mag die Erzählerin entwicklungsmäßig in diesem Jahr zurückgelegt haben?