Rezension

"mich überkommt eine große Lustlosigkeit"

Die Mauersegler -

Die Mauersegler
von Fernando Aramburu

Bewertet mit 3 Sternen

Gebundene Ausgabe: 832 Seiten

Verlag: Rowohlt (13. September 2022)

ISBN-13: 978-3498003036

Originaltitel: Los vencejos

Übersetzung: Willi Zurbrüggen

Preis: 28,00 €

auch als E-Book und als Hörbuch erhältlich

 

„mich überkommt eine große Lustlosigkeit“

 

Inhalt:

Toni, 54 Jahre alt, Philosophielehrer an einem Madrider Gymnasium, geschieden, ein Sohn, lebensmüde, beschließt, sich in genau 365 Tagen umzubringen. Bis dahin will er seine Angelegenheiten ordnen und vielleicht herausfinden, warum er eigentlich nicht mehr leben will.

 

Meine Meinung:

Die Idee zu diesem Roman ist einfach klasse, die Umsetzung eigentlich auch. Dafür ist das Buch inhaltlich umso Haare sträubender.

 

Das Buch ist unterteilt in 12 Monate von August bis Juli, die einzelnen Monate beinhalten so viele Kapitel wie der jeweilige Monat Tage hat. Es ist eine Art Tagebuch, in dem Toni Aktuelles und Vergangenes reflektiert. Dabei drückt er sich gewählt, aber nicht überkandidelt aus, was das Lesen recht angenehm macht. Es geht um alltägliche Dinge, Politik, Religion, aber auch um Liebe, Hass und Freundschaft. Toni berichtet von Ereignissen in seiner Familie oder der seiner Eltern, er zeichnet seine Gedanken zu philosophischen und anderen Themen auf. Der Protagonist springt dabei wild in den Zeiten durcheinander, was ich recht mühsam fand, denn es dauerte immer einige Sätze, bis ich erkannte, wann die beschriebene Szene gerade stattgefunden hat. 

 

Der Anfang des Buches hat mich noch begeistert, ich konnte vieles nachvollziehen, da ich Ähnliches selbst schon erlebt habe. Doch dann wird es immer abgedrehter und derber. Toni wird mir dabei leider nicht sympathischer. Er ist ein Mann, mit dem ich mich in real life nicht freiwillig abgeben würde. Er behandelt seine Mitmenschen von oben herab und zieht über alle her. Frauen teilt er ein in schöne, mit denen er gerne schlafen würde, und hässliche, denen er aus dem Weg geht. Seinen Bruder hasst er eh und sein Sohn ist geistig minderbemittelt. Das einzige Wesen, für das Toni etwas zu empfinden scheint, ist seine Hündin Pepa, und selbst diese Beziehung hat ihre wunden Stellen.

 

Mehrmals musste ich mich zum Weiterlesen zwingen. Zuweilen ziehen sich die Seiten wie Kaugummi, dann wird es wieder ganz interessant und fesselnd. Abstoßende Szenen sind so geschickt eingefügt, dass man einfach voyeuristisch zusehen muss und sich nicht abwenden kann, obwohl man das am liebsten täte. Als es auf S. 620 heißt: „mich überkommt eine große Lustlosigkeit“, wurde auch ich sofort von einer solchen erfasst. Allein, dass ich bereits drei Viertel des Romans hinter mir hatte und somit nur noch ein Viertel vor mir, ließ mich bis zum Ende durchhalten. 

 

★★★☆☆