Rezension

Mindgames

Die Überlebenden - Alexandra Bracken

Die Überlebenden
von Alexandra Bracken

Bewertet mit 4 Sternen

Die meisten sterben. Doch die, die überleben, erwartet etwas Schlimmeres - die Angst der Menschheit vor ihnen.

In naher Zukunft bricht in den USA ein grausames Virus aus, das fast alle Kinder zwischen 10 und 14 dahinrafft. Diejenigen, die überleben, finden sich plötzlich mit verschiedenen Gaben wieder: Es gibt welche, die elektronische Geräte beeinflussen können, andere, die allein mit der Kraft ihres Geistes tonnenschwere Gegenstände durch die Luft zu wirbeln vermögen - und dann gibt es diejenigen, die allein durch Ansehen oder Berühren einer Person ebenjene beeinflussen können. All diese Kinder sind einerseits genau das: Kinder. Andererseits sind sie so gefährlich, dass die Erwachsenen Angst vor ihnen bekommen. Und wie das so üblich ist in einer Gesellschaft der Furcht, macht man mit den Gefürchteten das Einfachste. Man sperrt sie weg.
Die Kinder kommen in Konzentrationslager (das schreibe ich bewusst so, um darauf hinzuweisen, dass dieses Szenario eben NICHT abwegig ist, wenn man sich die Geschichte der Menschheit vor Augen hält), wo sie von Medizinern Tests unterzogen werden und von den Bewachern Grausamkeiten erdulden müssen.

Eins von diesen Kindern ist Ruby, die mit zehn Jahren in so ein Lager kommt. Sechs Jahre später befindet sie sich mit drei anderen Kindern auf der Flucht - in ständiger Angst, wieder eingefangen zu werden von der einen oder anderen Seite. Es gibt mehrere Parteien, die ein Interesse daran haben, Ruby in die Finger zu bekommen, und keine dieser Parteien hat das Wohl des Teenagers im Sinn.

Das ist endlich mal wieder ein Buch, das mir als Gesamtpaket sehr gut gefallen hat. Die Idee ist innovativ, die Umsetzung klasse. Die große Stärke der Autorin ist das Entwerfen der Protagonisten, die sich wohltuend voneinander abheben mit eigenen Charaktereigenschaften, der Art zu sprechen (oder auch nicht), ihren Ansichten, ihren Zielen. Dabei schafft sie es sogar, Leute sympathisch erscheinen zu lassen, die das eigentlich nicht sein sollten, aber das ist eben authentisch. Der Weg in die Hölle ist gepflastert mit guten Vorsätzen, und Antagonisten, die der Meinung sind, das Beste zu wollen, erscheinen mir viel lebendiger als solche, die einfach böse um des Böseseins Willen sind.

Einige Sachen waren vorhersehbar. Der Flüchtling zum Beispiel. Wenn die Autorin nicht gelegentlich mit ihrer Liebe zu Watership Down gespielt hätte, wäre es vielleicht nicht ganz so auffällig gewesen, aber durch die gelegentlichen Hinweise war es von Anfang an klar, wie es ausgehen musste. Auch erschien mir Ruby für jemanden, der sich nie vom Stand einer Zehnjährigen wegbewegen konnte, weil sie nie weiter unterrichtet wurde und keinerlei Chancen hatte, sich Wissen anzueignen, meistens viel zu eloquent und clever. Ihre Denkweise mag einem normalen Teenager in dem Alter angemessen sein, aber sie ist ja eben nicht normal. Dazu kam, dass trotz der vielen Jäger allgemein offensichtlich kaum noch Menschen existierten. Die Flüchtlinge mussten nicht allzu oft aufpassen, normalen Erwachsenen zu begegnen. Angesichts der Tatsache, dass es offensichtlich überall an Benzin mangelt, hatten die Kids verdammt wenig Probleme, jederzeit an Sprit zu kommen. Das sind so Sachen, die man meiner Meinung nach logischer hätte ausarbeiten müssen.

Fazit: Faszinierender Einstieg in eine neue Dystopie mit wenigen Schwächen und noch viel Luft nach oben.