Rezension

Missglückte Hilfestellung für die rhetorische Verteidigung unserer Demokratie.

Sag was! - Philipp Steffan

Sag was!
von Philipp Steffan

Sollen menschliche Eigenheiten unterbunden werden, steht eine Ideologie über Wertepluralismus und Toleranz, ist die Demokratie in unserem Land gefährdet. Es häufen sich immer wieder Fälle, in denen Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Sexualität, Religion und des Aussehens eine andere Behandlung zuteil wird – wenn Unterschiede zwischen Personen als ein bedrohliches und spaltendes Element und nicht als etwas, was uns alle miteinander verbindet, gesehen wird. Dabei sind wir alle unterschiedlich und das ist auch gut so: Es macht uns menschlich.

Verschiedenen Gruppen den Dialog miteinander ermöglichen, den versöhnlichen Schritt aufeinander zu wagen: das könnte eine Lösung für die stets verbreitete Angst vor dem Fremden sein. Wir sehen meist nicht die Individuen, sondern ein von Vorurteilen und Erwartungen gestütztes Schubladenbild. Wann müssen wir das Gespräch mit einer im Fremdenhass festgefahrenen Person aufsuchen, wenn jeder sonst schweigt? Wann habe ich selbst die Verantwortung, für meine Überzeugungen einzutreten und die Demokratie als hohes Gut zu verteidigen? "Sag was!" versucht, genau diese Fragen zu beantworten.

Mit der Grundaussage kann ich mich voll und ganz identifizieren: Gegen Rechtpopulismus müssen wir gebündelt vorgehen und dafür sorgen, dass die Freiheit einers jeden gewahrt bleibt. Trotzdem muss manfrau von Situation zu Situation die Notwendigkeit abwägen, ob und inwiefern sich ein Einklinken in die politische Debatte lohnt.

Mit gut achtzig Seiten Länge bleibt das vorliegende Buch aber in weiten Strecken thematisch zu sehr an der Oberfläche. Weitgehende Teile des Inhalts lassen sich durch gesunden Menschenverstand erschließen, wenn man bei den Gesprächsregeln in der Grundschule etwas aufgepasst hat. Mir erschließt sich die Frage nach der Zielgruppe nicht: An wen richtet sich dieser Ratgeber? Zudem hätte ich mir mehr und ergiebigere Quellen gewünscht, um die Argumentationslinie deutlicher nachvollziehen zu können. Somit wirken viele Ausführungen sehr spekulativ.

Zudem häufen sich einige inhaltliche Probleme in "Sag was!": Autor Philipp Steffan bringt einige Beispiele an, die die Notwendigkeit aufführen, Asylbewerberinnen in unsere Gesellschaft einzugliedern. Dieses solidarische Verhalten ist an sich ja gut und richtig. Indem er sich jedoch in gut 75% aller inhaltlichen Beispiele auf die fälschlicherweise als "Flüchtlingswelle" bezeichneten Gesellschaftsgruppe bezieht, diffamiert er sie als einziges Problem unseres Miteinanders: Und genau das ist falsch.

Zudem, und da möchte ich inhaltlich meine vollste Zustimmung ausdrücken, ist "Sag was!" auch ein Plädoyer für die Verwendung gendergerechter Sprache. Es ist 2020 längst an der Zeit, allen Geschlechtern den gleichen Platz zum Entfalten in unserem alltäglichen Vokabular einzuräumen. Dabei ist ein Gendersternchen für mich weniger als Einschränkung, sondern mehr als eine Erweiterung unseres sprachlichen Horizonts zu werten. Daher fällt es umso negativer auf, wenn man*frau sieht, wie inkonsequent und ignorant hier vorgegangen wurde: Das generische Maskulinum ist häufig die einzige verwendete Form.

Kurz gesagt: Viel gewollt, wenig gewonnen. Informationstechnisch konnte ich nur wenige neue Erkenntnisse gewinnen; teilweise schreckten mich die Darstellungen sogar eher ab. Leider gibt es für mich daher heute keine Leseempfehlung.

«Sag was! Radikal höflich gegen Rechtspopulismus»
ist eine missglückte und nur wenig ergiebige Hilfestellung für die rhetorische Verteidigung unserer Demokratie.