Rezension

Mit 70 hat man noch Träume

Golden Oldie Evergreen -

Golden Oldie Evergreen
von Ruth Eder

Bewertet mit 4 Sternen

Sabine ist bereits 70, arbeitet aber immer noch erfolgreich als Coach. Seit Jahren lebt sie allein, bis sie im Urlaub in Nizza einen italienischen Bootsführer kennenlernt. Dieser Luciano ist allerdings 20 Jahre jünger und taucht zudem einige Wochen später sogar bei ihr in Berlin auf.  

Das Cover, so einfach, wie aussagekräftig - drei Stühle an der Strandpromenade in Nizza, also dem Platz, an welchem das Leben der Protagonistin an einen Wendepunkt gelangt. Das Buch besteht aus drei Teilen und die Kapitel haben eine angenehme Länge.  

Der recht einfache und erstaunlicherweise auch sehr nüchterne Schreibstil hat mich zunächst überrascht. Im Lauf der Lektüre habe ich mich jedoch damit angefreundet, denn was könnte besser zur Selbstreflexion der Ich-Erzählerin passen, als diese simple und ehrliche Sprache. 

Die Protagonistin blickt auf ihr Leben zurück, hinterfragt gewisse Situationen und gibt freigiebig auch ihre derzeitige Stimmung ans Publikum weiter. An vielen Stellen schlägt dabei recht trockener Humor durch, an anderen trifft man auf Klischees, und andererseits streift die Autorin auch ernstere Themen. Der vielschichtige Roman spricht die Angst vor dem Altern, aber auch vor dem Alleinsein an, stellt Leistungsdenken und Perfektionswahn in Gegensatz zu Spontaneität. 

Interessant ist auch die Betrachtung der Protagonistin, die reflektiert, wie sehr sich die Themen im Konkurrenzdenken mit ihren Freundinnen im Laufe des Lebens versschoben haben: lag der Fokus früher auf der Karriere, steht im höheren Alter die Rolle als Großmutter das wichtigste Ziel dar. Das Buch regt auf unterhaltsame Art dazu an, das Älterwerden nicht nur als Kampf gegen gesundheitliche Herausforderungen oder finanzielle Hürden zu sehen, sondern dass sich Zufriedenheit oft auch im Unvollkommenen finden lässt.