Rezension

Mit Anleihen an bekannte Dystopien, doch viel komplexer

Red Rising
von Pierce Brown

Bewertet mit 4.5 Sternen

Seine kleine Familie ist sein Leben, selbst wenn die Armut ihr ständiger Begleiter ist und sie ständig von Ungerechtigkeiten konfrontiert werden.
Doch dann zerstört ein einziger Tag alles, was ihm wichtig ist.

 

Darrow arbeitet und atmet für seine Mission, den Mars für alle Menschen bewohnbar zu machen. Deswegen erträgt er täglichen Hunger, die Todesgefahr, der er in seinem Job ausgesetzt ist und die Schikanen seiner Vorgesetzten. Denn er glaubt fest daran, dass er und seine Frau es einmal besser haben und für ihre Mühen belohnt werden.
Aber als seine geliebte Eo für ihren Widerstand gegen das System hingerichtet wird, muss Darrow erkennen, dass sie all die Jahre über belogen und ausgenutzt wurden. Schließlich will er nur eines: Rache an denjenigen, die den Tod so vieler seiner Kaste in Kauf genommen haben. Dafür muss er allerdings ein völlig anderer Mensch werden und kämpfen. Und zwar mit allem, was ihm zur Verfügung steht.

 

 

Red Rising hat mich von der Inhaltsangabe her schon länger gereizt und nachdem ich es endlich lesen durfte, war ich richtig begeistert. Denn das hatte ich in der Form von den wenigen Bruchstücken auf dem Klappentext nicht erwartet.
Bereits die Hauptfigur ist eine Klasse für sich: Er ist kein typischer Kämpfer, der sich gegen ein ungerechtes System auflehnt, stattdessen hält er wider besseren Wissens an dem Glauben fest, dass sich irgendwann etwas für ihn und die Seinen ändern wird. Erst die Umstände machen ihn zu einem Mitglied des Widerstands, etwas was er immer wieder in Frage stellt. Dieser Zwiespalt hat mir besonders gut gefallen, denn dadurch bekommt Darrow eine immense Tiefe. Gleichzeitig bildet sein Charakter einen tollen Kontrast zu den übrigen Protagonisten, da er einerseits sehr viel erwachsener wirkt als seine Altergenossen, aber andererseits auch einiges nicht wissen kann, weil er eben nicht wie sie aufgewachsen ist.
Seine Gegen- und Mitspieler müssen sich ebenfalls nicht verstecken: Lebendig, mit keinem Klischee zu vergleichen und mehrschichtig ergänzen sie das Ensemble wunderbar. Am meisten sticht unter ihnen Sevro hervor, mein ganz persönlicher Geheimtipp für einen perfekt gestalteten Antihelden.

 

Der Schreibstil hat mich sofort angesprochen: Nicht zu ausufernd, aber auch nicht zu einfach gestrickt, mit umgangssprachlichen Formulierungen gespickt und zudem unglaublich bildhaft, dass man schnell davon gefangen genommen wird. Auf diese Weise zieht der Autor den Leser in seine fremde Welt auf dem Mars, die so komplex und gut durchdacht ist, wie ich es vorher sehr selten bei einer Dystopie erlebt habe. Anfangs braucht man seine Zeit, um sich mit all den Regeln, der Gesellschaftsstruktur und dem ungewöhnlichen Setting vertraut zu machen. Doch was mich bei anderen Büchern frustriert hat, weil man oft zu wenige Informationen erhalten hat, hier hat es mich kaum gestört. Hätte man alles gleich auf den erstem Seiten präsentiert bekommen, hätte das wohl jeden erschlagen. So verfolgt man mit wachsender Spannung, wie Darrow seinen Weg unbeirrt weitergeht und dabei versucht, nicht sich selbst zu verlieren.
Ein klitzekleiner Kritikpunkt ist mir dennoch aufgefallen und es waren nicht einmal die Anleihen an bekannte Romane desselben Genres. Trotz der Tatsache, dass ich immer mal wieder Die Tribute von Panem vor Augen hatte, ist es Pierce Brown gelungen, etwas ganz Eigenes zu schaffen. Doch manchmal vergisst nicht nur sein Held, was ihn wirklich antreibt. Erst zum Schluss wird man nämlich wieder daran erinnert, was das eigentliche Ziel des Ganzen ist. Das lässt einen umso mehr darauf hoffen, dass der zweite Teil bald erscheint.

 

Fazit

 

Mit Red Rising ist Pierce Brown ein Debüt gelungen, das locker mit anderen berühmten Romanen seines Genres mithalten kann: Bildgewaltig, packend, monumental, so präsentiert der Autor seine zukünftige Welt auf dem Mars. Außerdem wissen seine tiefgründigen und sehr lebendigen Charaktere zu begeistern und den Leser mitzureißen, ganz besonders die Hauptfigur, deren innere Zerrissenheit immer wieder spannend gestaltet ist. Da fallen auch einige Ähnlichkeiten zu vergleichbaren Werken kaum auf, lediglich das eigentliche Ziel verliert man bei soviel Komplexität schnell aus den Augen.
Wer gut durchdachte Dystopien zu schätzen weiß, die mit unglaublicher Detailverliebtheit aufgebaut sind, vielschichtige Protagonisten bevorzugt und gerne eine Endzeitstory liest, die definitiv für Erwachsene geeignet ist, der sollte sich dieses Buch nicht entgehen lassen.