Rezension

Mit der Katastrophe leben

Sakari lernt, durch Wände zu gehen - Jan Costin Wagner

Sakari lernt, durch Wände zu gehen
von Jan Costin Wagner

Bewertet mit 5 Sternen

»Sakari lernt, durch Wände zu gehen«, Jan Costin Wagners sechster Roman mit dem finnischen Kommissar Kimmo Joentaa, ist ein höchst ungewöhnlicher Krimi von großer atmosphärischer Dichte. Der Ausgangspunkt der Handlung (Klappentext):

»Auf dem Marktplatz der finnischen Stadt Turku steigt ein junger Mann in einen Brunnen. Er ist nackt und offenbar verwirrt. Und er hat ein Messer bei sich. Im Nachhinein kann sich niemand so recht erklären, warum einer der herbeigeeilten Polizisten ihn erschossen hat – vor allem nicht der Schütze selbst.

Dann versucht er, mehr über den jungen Menschen zu erfahren, dem er das Leben genommen hat, und wendet sich hilfesuchend an seinen Kollegen Kimmo Joentaa. Kimmo sucht die Eltern des Toten auf – und stößt auf Spuren einer Katastrophe, die nicht nur das Leben des Jungen aus dem Brunnen, sondern das zweier Familien tragisch und tiefgreifend verändert hat.«

Der junge Mann, der erschossen wurde, ist Sakari Ekman. Eine andere Katastrophe, die Grundkatastrophe dieses Buchs, ist der Tod einer jungen Frau. Wie leben jeweils deren Mutter, Vater und Brüder damit, die Nystads – oder können eben nicht damit leben? Für Sakari war die junge Frau weiter da – in einer Scheinwelt, in der er bis zu seinem Tod lebte. Die anderen müssen damit leben, dass sie nicht mehr da ist.

Der Roman und seine Handlung bauen sich aus Ausschnitten auf – aus dem Geschehen und Erleben von Situationen, das aus der Sicht unterschiedlicher Personen erzählt wird: aus der Perspektive von Kimmo Joentaa, seiner etwa 10-jährigen Tochter Sanna; aus der Sicht des Polizisten, der Sakari erschossen hat, Petri Grönholm; aus der von Leena, Stefan, David und Emma Nystad, von Aune, Magnus und Sakari Ekman. In Kapiteln mit Titeln wie »Die Fee des frühen Morgens«, »Zwei Zentimeter Mond« oder »Der Moment, in dem sie wieder auftaucht« werden Vergangenheit und Gegenwart immer wieder im Erleben dieser Personen entfaltet, die mit den Katastrophen ganz unterschiedlich umgehen. Schließlich geschieht eine weitere Katastrophe, deren Zeugen Petri und Kimmo werden und die Kimmo schließlich auf höchst ungewöhnliche Weise, überhaupt nicht dem Buchstaben des Gesetzes gemäß, aufklärt.

Gegen Ende des Buchs gibt es eine Szene, in der Hoffnung, aber keine falsche Hoffnung auftaucht (S. 232): Kimmo schickt Stefan Nystad ein Foto auf sein Handy – mit Aune, Magnus und ihrem kleinen Sohn Valtteri Ekman, mit Petri, Sanna Joentaa und ihrer Freundin und seinem Sohn David, der verschwunden war und gesucht wurde: »Die Menschen darauf lächeln. Tatsächlich. Alle. Manche glücklich, manche traurig.

… Magnus lächelt leise, und Aune lacht in die Kamera. Es ist nur ein Moment, das spürt Stefan, vielleicht war Aune im nächsten wieder traurig. Aber in diesem einen lacht sie.«

Kommentare

wandagreen kommentierte am 11. Dezember 2018 um 01:00

Was ist mit dem Mörder? Wird er verurteilt? Ok, du sagst es nicht.

Steve Kaminski kommentierte am 11. Dezember 2018 um 08:40

Wie die Tat des Polizisten zu bewerten ist, ist unklar - jedenfalls nicht als Mord. Und dann gibt es noch den Versuch eines gemeinschaftlicnen Suizids. EInen Mord gibt es nicht.