Rezension

Mit kleinen Schwächen

Die Schmetterlingsinsel - Corina Bomann

Die Schmetterlingsinsel
von Corina Bomann

Bewertet mit 4 Sternen

Mehrgenerationen-Roman

Der Schlüssel zum Buch und gleichzeitig die Einleitung zum Thema ist ein Brief, geschrieben im Jahre 1888 von Victoria, einer Ahnin der Anwältin Diana Wagenbach. Diese steht vor den Trümmern ihrer Ehe und muss nach England aufbrechen, um den Nachlass ihrer Tante aufzulösen. Dabei erfährt sie von einem alten, lange gehüteten Familiengeheimnis, das genährt wird durch Hinweise, die ihre Tante in ihrem Anwesen hinterlassen hat. Diana begibt sich auf Spurensuche und reist dafür nach Sri Lanka, dem ehemaligen Ceylon, wo sie nicht nur dem Familiengeheimnis näher kommt sondern überdies noch einem exotischen Fremden.
Auf dieser Grundlage hat die Autorin zwei Handlungsstränge gewoben. Der eine spielt im Victorianischen Zeitalter, der andere in der Gegenwart. Der historische Teil ist Corina Bomann hervorragend gelungen. Sehr detailliert schildert sie nicht nur das gesellschaftliche Leben der gehobenen Schicht in England und der Kolonie Ceylon sondern auch die Menschen, Gebäude und Landschaften so gekonnt, dass man sich wirklich gut in die Zeit hineinversetzen kann. Bleibt man in den Teilen des Buches, die in der Vergangenheit spielen, sind auch alle erwähnten Schicksale, Skandale und Handlungen der Protagonisten der damaligen Zeit hervorragend nachzuvollziehen und lassen sich sehr schön lesen, zumal die Autorin einen bei diesem Genre hervorstechenden Schreibstil hat.
Der Teil des Buches, der in der Gegenwart spielt, weist dagegen Schwächen auf. Die Anwältin Diana Wagenbach ist auf der Suche nach sich selbst, reagiert teilweise nicht nachvollziehbar. Ist sie zum einen bereit, für die Aufklärung des Familiengeheimnisses um die Welt zu reisen, so ist sie dagegen in der Lage, einen entscheidenden Brieffund beiseite zu legen und lange Zeit nicht zu lesen. Auch lässt sie sich relativ schnell auf ein Verhältnis mit einem Mann ein, ist jedoch schockiert über das beinahe 200 Jahre zurückliegende unziemliche" Verhalten ihrer Vorfahren.
Es ist beinahe schade um das Buch, dass der Charakter der Anwältin so schwach gezeichnet ist, denn es ist ein wunderbarerer Familienroman über mehrere Generationen, mit exotischem Flair und einer guten Handlung, die alles beinhaltet, was man von einem Roman dieser Art erhofft: Themen wie Liebe, Verlust, Schmerz, Tod, Schicksal und Vergebung. Wer über die Schwächen der sich-selbst-findenden Diana Wagenbach hinwegsehen kann, wird von diesem Buch verzaubert sein. Erwähnenswert ist bei diesem Buch die Gestaltung: ein äußerst ansprechendes Titelbild und ein wunderschöner Frangipani-Blüten- und -Schmetterlings-Aufdruck, der sich über den unteren und den Längsschnitt hinzieht.