Rezension

Mit vielen bekannten Elementen und doch ganz anders

Das Juwel - Die Gabe
von Amy Ewing

Bewertet mit 4 Sternen

Sie hat eine Gabe und wurde dafür unterrichtet und gefördert, um diese den Herrschenden zur Verfügung zu stellen.
Doch die Opfer, die sie erbringen muss, sind größer, als sie gedacht hat.
 
Violet Lasting ist ein Surrogat: Sie stammt aus ärmlichen Verhältnissen, ist aber in der Lage, Kinder zu gebären und Dinge nach ihrem Willen entstehen und wachsen zu lassen. Aufgrund ihrer Fähigkeiten wird sie dazu auserwählt, im Herzen des Juwels zu leben, unter den Reichsten der Reichen. Die Herzogin vom See ersteigert sie und zeigt ihr eine Welt voller verschwenderischem und unvorstellbarem Luxus, den sie vorher in ihrem Leben nicht gekannt hat.
Doch all das hat einen furchtbaren Preis, auf den sie ihre jahrelange Ausbildung niemals vorbereiten konnte und den sie erst nach und nach erkennt. Und zudem weiß sie nicht, wem sie noch vertrauen kann und wer bereit ist, sie zu seinem eigenen Vorteil zu hintergehen.

 

Sofort als ich das Cover sah und die Inhaltsangabe las, wusste ich, dass ich das Buch unbedingt haben musste. Und ich habe es nicht bereut, denn es hat mich genauso gefesselt, wie ich es erwartet hatte.
Angefangen mit den Figuren muss ich sagen, dass ich mich sofort in Violet hineinfühlen konnte. Sie ist von der ersten Seite an skeptisch, was ihre Aufgabe angeht, und man spürt gleich, dass sie nicht dort sein will in dieser fremden Welt, selbst wenn sie von einem Wohlstand umgeben ist, den sie in ihrer Kindheit nie erlebt hat. Das gibt ihr die Kraft, ab und an in kleinem Maße zu rebellieren, ohne dabei zu offensiv zu werden. Ich fand das sehr nachvollziehbar gemacht, da sie die Spielregeln des Juwels kaum kennt und die psychische Bedrohung für sie genauso furchtbar ist wie die physische. Ihre innere Zerrissenheit wird besonders deutlich, als sie etwas findet, das sie in dieser ungeliebten Welt hält. Gerade da bin ich gespannt, wie sich das weiterentwickeln wird.
Von den übrigen Protagonisten sind mir besonders die Herzogin vom See und ihr Sohn Garnet positiv aufgefallen, da sie beide das Potential zu einem interessanten und tiefgründigen Charakter haben. Aber dazu wird hoffentlich der zweite Band mehr preisgeben.

 

Der Schreibstil besticht seine leichte Lesbarkeit und die sehr anschaulichen Beschreibungen eines Settings, das zwar nicht komplett neu, aber dafür unglaublich komplex und gut durchdacht aufgebaut ist. Man braucht ein, zwei Kapitel, um sich hineinzufinden, doch gerade das hat den Reiz der Geschichte für mich ausgemacht. Ebenso wie der Umstand, dass das Hauptaugenmerk auf Violets Entwicklung und ihre einzelnen Entdeckungen bezüglich ihres Schicksals und der ungeschriebenen Regeln um sie herum liegt. Vor dem Hintergrund war es meiner Meinung nach auch passend, dass sie sich verliebt und damit die dadurch entstehenden Komplikationen zum Thema gemacht werden.
Leider verlief die Romanze für meinen Geschmack etwas zu schnell und oberflächlich. Gerade da hätte ich mir wesentlich mehr Tiefe gewünscht. Es wird viel zu viel nur wage angedeutet, sodass man eher spekuliert als wirklich interpretieren kann, was die Autorin aussagen will. Und auch die bedrohlichen Handlungsstränge finden eher im Dunklen statt, ohne dass Violet eine Spur davon ahnt, sodass sie einen zu naiven Eindruck macht. Ich hoffe, dass da im nächsten Teil etwas mehr enthüllt wird.

 

Fazit
 

Das Juwel: Die Gabe ist ein viel versprechender Titel im Bereich Jugendliteratur, der frischen Wind in das Genre bringt. Mit einer realistisch geschriebenen Hauptfigur, einer anschaulich beschriebenen und komplexen Welt und einer wendungsreichen Story konnte mich der Roman zum größten Teil überzeugen.
Nur die Liebesgeschichte und manche Handlungsstränge lassen an Tiefe vermissen, die ich mir sehr gewünscht hätte, da sie wirklich Potential mitbringen.
Wer typische Dystopien mit neuem Setting liebt, weibliche Antagonisten mit vielen Facetten mag und gerne über die Aufarbeitung kritischer Themen liest, der kann bei diesem wunderschön gestalteten Buch ruhig zugreifen!