Rezension

Mit Vorsicht zu genießen

10 Stunden tot - Stefan Ahnhem

10 Stunden tot
von Stefan Ahnhem

Bewertet mit 4.5 Sternen

Spannender Thriller mit einem etwas eigenwilligen Ende, der sich auch für Quereinsteiger eignet

Dies ist mein erstes Buch von Stefan Ahnhem, meine Meinung bezieht sich demnach ausschließlich auf „10 Stunden tot“ und bietet keinerlei Vergleich zu vorherigen Werken des Autors.

 

 

Gerade als Quereinsteiger empfand ich den Mix aus bekannten Klischees und originellen Bestandteilen sehr gelungen. Man findet hierbei zwar die klassischen Typen, aber gemixt mit ein, zwei Besonderheiten, die dem Leser sehr helfen, sich einzelne Charaktere einzuprägen und diese voneinander unterscheiden zu können. Da ist beispielsweise die knallharte, unabhängige Polizistin, die eine unglaubliche Abneigung gegen rechtsextreme Weltanschauungen hat, die alkoholabhängige Chefin mit einem erstklassigen Ruf oder der kauzige Rechtsmediziner, der erstaunlicherweise nicht freiwillig 24/7 in seinem Labor zugegen ist.

Des Weiteren wird auf alle relevanten Ereignisse aus vorherigen Bänden noch einmal ausreichend eingegangen, ohne dabei zu einer lästigen Aufzählung oder ermüdenden Nacherzählung der Geschehnisse zu werden. So hat man auch als Quereinsteiger nie das Gefühl, an irgendeinem Punkt der Geschichte auf dem Schlauch zu stehen. 

Zudem ist es sehr angenehm, dass die Fälle eher bodenständig gehalten sind und die Opfer nicht in 234 Stücke zerteilt mit Goldnägeln an die Decke gehängt werden, nur um den Leser mit einem Wow-Effekt zu schockieren. 

 

Ich als Vielleser war zusätzlich erstaunt, wie gut es dem Autor trotzdem gelungen ist, mir mit den Gräueltaten und vereinzelten Äußerungen im Buch unter die Haut zu gehen. Dabei sind es nicht irgendwelche ausschweifende Beschreibungen, wo welcher Blutstropfen und welches Stück Innerei sich im Raum und nicht mehr im Opfer befindet, sondern vielmehr die nüchtern-klare Darstellung der Szenen, gepaart mit der Reaktion der Protagonisten. Es gab einige Passagen, bei denen ich die Erschütterung und die Abneigung der Charaktere sehr, sehr gut nachempfinden konnte.

 

Ein großer Kritikpunkt scheint aber für einige Leser der konstante Widersacher zu sein, dessen Fall sich durch das ganze Buch – und offenbar die ganze Reihe – zieht. Viele scheinen sich an diesem Charakter zu stören, was ich zwar nachvollziehen, aber nur bedingt verstehen kann.

Solch einen hartnäckigen Gegner findet man beispielsweise auch in Sherlock Holmes‘ Erzfeind Professor Moriarty, Christopher Pelant aus der Fernsehserie Bones, Gretchen Lowell aus der Feder von Chelsea Cain oder sogar banaler einfach Lord Voldemort aus Harry Potter.

Für mich verleiht das einem Stück eine gewisse Würze und Besonderheit, die mich als Konsument an eine Reihe fesselt. Dadurch kann sich nämlich ein sehr vielschichtiger Antagonist entwickeln, mit einer verstrickten Geschichte, die mit den Facetten von Gut und Böse zu spielen weiß. Außerdem bietet sich dem Autor die Möglichkeit, seine Reihe in einem hochspannenden und vor allem für den Leser befriedigenden Showdown zum Abschluss zu bringen.

 

Des Weiteren muss auch ich anmerken, dass die Aufklärungsrate in diesem Buch erstaunlich gering ist und man am Ende nicht einem, sondern zwei Antagonisten gegenübersteht, die nichts – zumindest soweit dem Leser bekannt – miteinander zu tun haben.

Ich kann durchaus nachvollziehen, dass das den ein oder anderen Leser am Ende unbefriedigt und wütend zurücklässt. Mich persönlich hat das nicht gestört, denn erstens ist es sehr offensichtlich, dass uns beide Antagonisten im nächsten Band wieder begegnen werden und zweitens ist es auch erfrischend realistisch, dass am Ende eines Buches mal nicht alle bösen Buben dingfest gemacht werden.

Außerdem – und das bringt mich noch immer sehr zum Schmunzeln – wurden wir als Leser quasi vom Autor vorgewarnt: „Wird dieser Fall ungelöst bleiben?“ (Klappentext). Das ist zwar eine ziemlich gemeine „epische Vorausdeutung“, aber eben wiederum auch so fies, dass ich es super finde und Herr Ahnhem absolut nicht böse sein kann.

 

Fazit

Ein sehr spannender Thriller, der sich gleich mit mehr als einem Täter auseinandersetzt und einen recht eigenwilligen Weg geht. Absolut zu empfehlen, aber mit Vorsicht zu genießen.