Rezension

Mitleben und mitleiden, aber vor allem Mit-Erinnern

Zeiten des Aufbruchs (Band 2) - Carmen Korn

Zeiten des Aufbruchs (Band 2)
von Carmen Korn

Bewertet mit 5 Sternen

Bewertung und Rezension beziehen sich auf die Buchausgabe, die hier leider noch nicht zu finden war.

Meine Begeisterung hält nicht nur an, sie ist sogar noch größer geworden. Auch den zweiten Band von Carmen Korns Jahrhundert-Trilogie habe ich in einem Rutsch gelesen und war bis zur letzten Seite fasziniert.
Von März 1949 bis November 1969 nehmen wir erneut am Leben von Henny, Käthe, Ida und Lina teil. Aber auch ihre Kinder und Enkel, Freunde, Nachbarn und viele weitere Wegbegleiter finden wir wieder, die wir zum Teil aus dem ersten Band kennen, andere lernen wir neu kennen.
Nicht alle  Männer sind aus dem Krieg heimgekehrt, von manchen weiß man, dass sie gefallen sind, andere sind einfach verschollen oder noch in der Gefangenschaft, die für einige erst nach 1950 endete. So ging es Käthes Mann Rudi und auch Käthe selbst sucht lange keinen Kontakt zu den anderen Freundinnen, besonders zu Henny. Sie meidet den Kontakt sogar und der Leser des ersten Bandes hat auch eine Ahnung, warum dies so ist.

Auch wenn das Buch in der Großstadt Hamburg spielt, so erinnert sich auch das Dorfkind in mir an viele Ereignisse ab Mitte bis Ende der Fünfziger, die in diesem Buch nicht nur eine Rolle spielen, sondern für einzelne Personen auch von großer Bedeutung sein können. Anfang der Siebziger wurde Hamburg nicht nur meine
Wahlheimat, sondern in beinahe einem ganzen Jahrzehnt zu einen Ort, den ich sehr gemocht habe und auch heute noch mag. Schon allein aus diesem Grund bin ich sehr gespannt auf den dritten Band dieser Trilogie.
Das Leben der drei Freundinnen und den Menschen in ihrem Umfeld ist sicherlich in erster Linie von persönlichen Entscheidungen und manchmal auch Schicksalsschlägen geprägt, aber auch allgemeine politische, gesellschaftliche  und kulturelle Ereignisse bleiben manchesmal nicht ohne Folgen für die Protagonisten.

Wer erinnert nicht die Nacht der ersten Mondlandung, als eine ganze Nation vor den Fernsehgeräten saß, so man denn ein solches bereits besaß. Gängige und auch weniger bekannte Lieder, Schlager einer ganzen Generation, werden in Ansätzen zitiert und man ertappt sich beim Lesen dabei, die Zeilen nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Ohren wahrzunehmen und summt an manchen Stellen ganz unwillkürlich mit.
Die Gründung des NWDR und später die Aufteilung in zwei heute noch existierende Sendeanstalten, die Wiederbewaffnung, die Sturmflut von 1962, die Anti-Baby-Pille, die Abschaffung des § 175, die Kubakrise und der Bau der Berliner Mauer, all das hat nicht nur das Leben unserer Romanfiguren begleitet und zum Teil auch verändert. Auch jeder Leser wird seine eigenen persönlichen Erinnerungen damit verbinden.
In Berlin agiert Rudi Dutschke, die Studentenunruhen beginnen und Ruth, Tochter von Käthe und Rudi, hat Verbindung in diese Kreise. Hier könnte sich andeuten, was zumindest Anfang des dritten Bandes eine Rolle spielen wird.  Viel passiert ist in Hamburg viel am Anfang der Siebziger.

Auch für diesen Band eine Leseempfehlung aus vollem Herzen und mit Überzeugung vergebe ich fünf Sterne. Mehr geht ja leider nicht.

PS. Für jeweils ein ausführliches Glossar am Ende beider Bände verdient Carmen Korn Lob und Anerkennung.