Rezension

Mitreißend, romantisch, fantastisch

Ich fürchte mich nicht
von Tahereh Mafi

Bewertet mit 5 Sternen

"Ich fürchte mich nicht" ist das Debüt der Autorin Tahereh Mafi und gleichzeitig der Auftakt zu einer dystopischen Trilogie mit Fantasy-Elementen. Mich hat dieses Buch einfach nur begeistert, es ist grandios!

Inhalt: Die 17-jährige Juliette lebte fast ein Jahr isoliert von jedem menschlichen Kontakt in einer düsteren Anstalt, denn die Berührung ihrer Haut fügt anderen Menschen schreckliche Schmerzen zu und kann sogar töten. Während sie weggesperrt und in Einsamkeit lebte, zerfiel die Welt um sie herum und zweifelhafte, militärische Machthaber übernahmen die Kontrolle. Sie wollen Juliette und ihre übernatürlichen Fähigkeiten als Waffe benutzen, um zu foltern und Angst zu verbreiten. Doch Juliette will kein Monster sein und bekommt Hilfe von einem jungen Soldaten namens Adam, der ihr so bekannt vorkommt und den sie nur zu gern berühren würde...

Das erste, was dem Leser bei "Ich fürchte mich nicht" ins Auge fällt, ist der außergewöhnliche Schreibstil der Autorin, denn sie nutzt diesen nicht nur zum einfachen Erzählen ihrer Handlung, sondern bildet darin auch die charakterlichen Eigenarten ihrer Ich-Erzählerin ab. Es gibt durchgestrichene Satzteile, die Gefühle und Gedanken wiedergeben, die Juliette für falsch hält, die sie nicht zulassen möchte und daher durch harmlosere ersetzt, es gibt Wortwiederholungen und fehlende Satzzeichen. Das mag für manche Leser gewöhnungsbedürftig wirken, vielleicht sogar übertrieben, doch für mich ist es einfach grandios, bis ins letzte Detail durchdacht und eine Besonderheit, die diesen Roman von der Masse abhebt.

Denn in diesem ungewöhnlichen Schreibstil findet der Leser Juliette wieder, die ihr gesamtes Leben von jeder körperlichen, menschlichen Zuneigung isoliert war, als Monster beschimpft und für verrückt erklärt wurde und in den letzten Monaten sogar ohne jeden Kontakt zu anderen Menschen eingesperrt war. Wenn sich auch die Frage, ob sie tatsächlich verrückt ist, nicht so leicht beantworten lässt, so hat diese Isolation doch Spuren hinterlassen, die sie unsicher, manchmal kindlich und unruhig wirken lassen und dazu führen, dass sie sich vielen Situationen, denen sie außerhalb ihrer Anstalt begegnet, nicht gewachsen fühlt. Der Charakter der Juliette ist schon allein einzigartig und lesenswert und bildet zusammen mit dem Schreibstil eine unvergessliche Einheit.

Auch die anderen Charaktere sind nicht weniger überzeugend. Warner, der Anführer der neuen Machthaber, ist wie besessen von Juliette. Ein gefährlicher Mensch auf der einen Seite, ein irrationaler Verliebter auf der anderen. Adam, Juliettes große Hoffnung, ein Freund aus der Vergangenheit, der sich auch jetzt wieder für sie einsetzt konnte mich ebenso überzeugen, zumal sich zwischen den beiden eine wunderbare, ebenso romantische wie stürmische Liebesbeziehung entwickelt. In diesem Buch wird mal wieder bewiesen: Auch ohne Kitsch und Übertreibungen der "Liebe auf den ersten Blick" kann ein Autor eine bezaubernde Liebe zum Leben erwecken. Adam und Juliette haben eine gemeinsame Vergangenheit, die ihrer Liebe die nötige Natürlichkeit verleit und sie glaubhaft erscheinen lässt. Einfach wunderschön.

Nach der Sprache und den Charakteren rundet die Idee hinter diesem Buch und die Entwicklung der Handlung den erstklassigen Gesamteindruck dieses Buches ab. Die Dystopie in "Ich fürchte mich nicht" steckt noch in den Kinderschuhen. Der Leser verfolgt hier den gerade stattfindenden, erst vor einigen Jahren begonnenen Übergang von einer normalen demokratischen Gesellschaft in eine militärische Diktatur und die Festigung einer dystopischen Gesellschaft. Die Wirtschaft ging zu Grunde, die Menschen litten Hunger und das Klima wurde instabil. Von einem neu eingesetzten System versprach man sich Besserung - doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Entwicklung dieser Dystopie wirkt in sich schlüssig und durch ihre zeitliche Nähe zu einer normalen Gesellschaft besonders spannend. Außerdem punktet dieser Roman neben aller Romantik auch mit mitreißenden Actionszenen, Verfolgungsjagden und überraschenden Wendungen, besonders zum Schluss, sodass ich das erscheinen des Nachfolgers kaum noch erwarten kann.

Fazit: Ein sprachlich herausragendes Buch mit überzeugenden Charakteren und einer gelungenen Verflechtung von dystopischen und fantastischen Elementen. Ein spannendes Auf und Ab der Gefühle und für mich eines der besten Bücher in diesem Bereich überhaupt. Klare Leseempfehlung. 5 Sterne und, wäre es möglich, noch dutzende Extrasternchen!