Rezension

Mitreißend und feinfühlig erzählt

Die Fischerkinder. Im Auge des Sturms - Melissa C. Feurer

Die Fischerkinder. Im Auge des Sturms
von Melissa C. Feurer

Bewertet mit 5 Sternen

Mira zog die Augenbrauen hoch. 'Ihr diskutiert das nicht wirklich im Rat, oder?' 'Müssen wir. Als Vertreter der Rebellen nehmen wir alle Anliegen und Forderungen ernst. Auch wenn manche, offen gesagt, eine ziemliche Zeitverschwendung sind.' 'Ist das wieder dieses Demokratieding, auf das die Rebellen so viel Wert legen?'

Unterirdische Städte in Büchern haben schon immer eine besondere Faszination ausgeübt. Dieses Rebellenquartier macht da keine Ausnahme.

Die Fischerkinder-Gemeinschaft hat überstürzt ihr Versteck "Klein-Ararat" verlassen müssen, da sie von Regierungstruppen entdeckt worden waren. Nun befinden sich Mira und Chas auf der Flucht. Gemeinsam schmieden die beiden einen verzweifelten Plan. Sie wollen in die Hauptstadt Vacabunite, um Veras Bruder Filip zu befreien, der Mira und Chas vor dem Zugriff der Regierungstruppen gerettet hat und dafür selber verhaftet wurde. Emotional erschwerend kommt hinzu, dass Vera inzwischen sowohl zu dem verschlossenen Chas als auch zu Filip eine tiefe Zuneigung empfindet, und auch Chas, der eigentlich nach Amerika auswandern möchte, bleibt dies nicht verborgen. Zunächst aber gibt es ein viel akuteres Problem zu bewältigen: Chas ist von einem der Wachleute angeschossen und übel verletzt worden, und Mira versucht alles, um sein Überleben zu sichern - nicht leicht, wenn man keinen Zugang zu Lebensmittelkarten, geschweige denn Medikamenten hat, zumal Mira ihr überall notwendiges Scanner-Armband nicht einzusetzen wagt, da sie dies in noch größere Schwierigkeiten bringen könnte ... aber mit dem Mut der Verzweiflung und Gottes Hilfe schafft sie es immer wieder, unbeschadet aus brenzligen Situationen herauszukommen und auch alte Freunde wiederzufinden, deren Hilfe sie dringend nötig hat. Denn in der Hauptstadt wird inzwischen Filips Hinrichtung vorbereitet ...

Ich finde, man kann Melissa Feurers Schreibweise durchaus als gelungen bezeichnen. Sie schreibt flüssig und klug, mit feinen Zwischentönen. Zum Beispiel gefällt mir sehr, wie die schwierige Beziehung zwischen Chas und Mira gezeichnet wird; auch einige liebevoll ausgefeilte Nebenfiguren beweisen, dass der Roman kein Friede-Freude-Eierkuchen-Bild von den Fischerkindern zeichnen will. Und es wird keinen Augenblick langweilig. Zu aller Überraschung findet man mittendrin spannende Diskussionen der Diktatur-Flüchtlinge über Demokratie oder Religionsfreiheit. Die historischen und politischen Assoziationen, die durch die Geschichte ausgelöst werden, sind vielfältig. In der Lovely-Books-Leserunde zum Beispiel fühlte sich eine Teilnehmerin durch die Gehen-oder-Bleiben-Thematik sofort an die Geschichte der DDR-Flüchtenden erinnert.

Insgesamt finde ich das dramaturgische Konzept sehr gelungen. Auch wenn man im Handlungsverlauf, so man danach sucht, ein paar logische Ungereimtheiten finden kann. Aber nach der Lektüre der Episode mit den Emmausjüngern (einfach und genial eingeflochten) beschloss ich, alle meine Erbsenzählereien über Bord zu werfen. Das Buch hat fünf Sterne verdient, und die bekommt es auch von mir.

Der Schluss ist ... aber da verrate ich zu viel ... gut. Er ist richtig gut. Und macht wirklich auf den dritten und letzten Band neugierig.

Wer eine mitreißende und außergewöhnliche Jugenddystopie sucht, kommt hier voll auf seine Kosten.