Rezension

Mitreißende Krimiunterhaltung vor historischem Setting und einer guten Prise britischem Charme.

Erased - Jürgen Albers

Erased
von Jürgen Albers

1947. Nach der Kriegszeit sehnt sich Superintendent Charles Norcott nichts sehnlicher herbei als eine ruhige Zeit als Dozent an der Universität Oxford. Dort soll der Inspektor lediglich die Fachkräfte für ihren Einsatz ausbilden, doch die Universität wird schon bald von einer Serie an Zwischenfällen heimgesucht, die die Aufmerksamkeit des Superintendenten beanspruchen. Im Physikalischen Institut der Universität scheint jemand die geheime Forschungsarbeit der Regierung auszuspionieren oder zu sabotieren. Doch was steckt tatsächlich hinter den Zwischenfällen und dem Bombenanschlag auf den Leiter dieser Einrichtung?

»Erased« ist der zweite Band aus Jürgen Albers Kriminal-Reihe um den New Scotland Yard Inspektor Charles Norcott. Die Handlung des ersten Buches »Crossroads« trägt sich während der Kriegszeit auf der britischen Kanalinsel Guernsey zu. Doch nun nach dem Krieg ist Charles Norcott wieder zurück nach London gekehrt und nimmt in der Hoffnung auf eine entspannte “Zeit” den Job als Dozent an der Oxford University an.

Der ruhige Einstieg in die Geschichte versucht den Leser, genau wie seinen Hauptprotagonisten Charles Norcott in Sicherheit zu wiegen, bevor sich das Kartenblatt ändert und es eine mitreißende Kriminalgeschichte aufzuklären gilt. Während sich also zu Beginn noch recht wenig ereignet, wird das Setting mit viel Liebe zum Detail gezeichnet, bei dem die auftretenden Charaktere nicht zu kurz kommen. Mir persönlich gefällt es immer besonders gut, wenn nicht nur die Hauptprotagonisten gut ausgearbeitet sind, sondern auch den Nebenrollen genügend Leben eingehaucht wird. Genau das ist Jürgen Albers besonders gut gelungen, als Leser bekommt man eine ganze Palette der unterschiedlichsten Figuren präsentiert. Desmond O’Neill wird zum Beispiel mit viel Augenzwinkern von Albers als »Das kleine, fast kugelrunde Männchen […]« beschrieben und projiziert somit gleich ein herrlich erheiterndes Bild in meinem Kopfkino hinzu.

»Sagen Sie mal, Desmond, Sie waren ja schon in London ein verrückter Hund und Ihre Truppe ein bunter Haufen, aber«, er wies mit dem Daumen in Richtung Labor, »die junge Dame heißt nicht wirklich Beetroot mit Vornamen? Und wer sind Smith & Wesson?«
Erased, Seite 159

Der Schreibstil von Jürgen Albers passt hervorragend zur Geschichte, der Atmosphäre, die so very British daherkommt und dem wundervollen Setting, dass einen direkt nach Oxford versetzt. Außerdem hat sich das Buchaufschlagen jedes Mal wie das Öffnen einer Zeitkapsel angefühlt, denn nach wenigen Seiten fühlt man sich entschleunigt und in der Zeit zurückversetzt.

Das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten ist wie bei einem guten Rezept schön aufeinander abgestimmt, die Protagonisten bewegen sich spürbar in der noch jungen Nachkriegszeit, es geht um geheime Forschungsprojekte, Atomforschung, Spionage, polizeiliche Zusammenarbeit und natürlich die diversen Geheimdienste wie z. B. MI5 und MI6. Das alles wurde wunderbar vom Autor recherchiert und in einem Nachwort dargelegt, darin geht er auch darauf ein, wobei es sich um historische Fakten und wobei um Fiktion handelt. Das fand ich unheimlich hilfreich, denn zwischendurch verschwimmen die Linien zwischen Realität und Fiktion.

Tatsache ist, dass mir der zweite Kriminalroman aus Jürgen Albers Feder wieder unheimlich gut gefallen hat. Die authentische Geschichte über den britischen Inspektor und seine Freunde hat mir einige vergnügliche Lesestunden bereitet, wobei man auch im Folgeband keine blutrünstige Spannung erwarten darf. Vielmehr baut sich die Spannungskurve erst ziemlich spät auf, da das Augenmerk auf die vielzähligen Verwicklungen gerichtet wird. Schließlich wird man aber mit einem mitreißenden Rätselraten um die Identität des Täters belohnt, wobei mir die unterschiedlichsten Personen verdächtig erschienen, die naheliegenden Optionen wieder verwirft und am Ende von der eigenen Blindheit überrascht wird. Einen kleinen Kritikpunkt möchte ich allerdings noch einbringen: der Autor verknüpft den Kriminalfall mit geheimer Forschungsarbeit an Atombomben und zu Beginn der Geschichte verschwinden wichtige Protokolle. Der Ansatz war super spannend und ich finde hier hätte man noch etwas tiefer in das Spionage-Thema eintauchen können.

»Na, wenigstens dafür war der Scheißkrieg gut. Schusswunden kann hier jeder noch mit drei Promille im Blut versorgen.«
Erased, Seite 295

Ich freue mich bereits jetzt auf den dritten Norcott Roman, »Black Skin«, welcher bereits für Herbst 2019 geplant ist, denn dann werde ich zusammen mit Charles Norcott eines meiner Lieblingsreiseziele, Kuba, literarisch bereisen dürfen. Außerdem hat der Autor noch eine Anthologie in der Pipeline, zu der ich selbst auch ein kleines Bisschen beitragen durfte ;)