Rezension

Mitten im Herz des Wilden Westens

Das wilde Herz des Westens - Alexandra Fischer

Das wilde Herz des Westens
von Alexandra Fischer

Bewertet mit 4 Sternen

Baltimore, 1865. Phoebe ist sich sicher, dass sie nur mit einem Cowboy als Ehemann glücklich wird. Nach dem Bürgerkrieg sieht sie ihre Chance in einer Heiratsannonce, und macht sich mit ihrer Freundin Briana auf zu ihrem Bräutigam. Allerdings weiß sie zu diesem Zeitpunkt nicht, dass ihr Zukünftiger ein gesuchter Räuber ist. Damit beginnt eine Reise mitten ins Herz des Westens, die Phoebe und Briana alles abverlangen wird.

Trotz der - meiner Meinung nach - kitschigen Aufmachung handelt es sich bei "Das wilde Herz des Westens" um einen historischen Roman, der quer durch die Prärie Amerikas führt. Natürlich spielen amouröse Umstände in die Geschichte rein, allerdings nicht in dem Ausmaß, wie das Cover vermuten lässt.

In diesem Roman geht es darum, dass " ... Cowboys auch Banditen sein konnten und Banditen auch Gentlemen. Dass eine Hure zur wahren Freundin werden und die große Liebe einen Mann quer durch die Prärie treiben konnte". (S. 432 - 433)

Es beginnt mit Briana, die als Kind in Phoebes Elternhaus aufgenommen wird. Sie ist irischer Abstammung, was damals schon einem Stigmata gleichkam. Briana hat einen Anschlag auf ihre Familie durch Zufall überlebt. Sie beißt sich durch, ist der Familie Harrington ergeben, und weiß nicht so recht, wohin sie ihr Leben führen wird. 

In Phoebes Augen wachsen sie und Briana als Schwestern auf. Als leibliche Tochter der Harringtons ist sie Wohlstand und ein gutes Zuhause gewohnt. Sie gibt sich leidenschaftlich der Lektüre von Groschenromanen hin, und weiß, dass sie eines Tages ihren Cowboy finden wird. 

Nachdem die Kindheit der Mädchen kurz angerissen wird, befindet man sich mitten im Trubel des Amerikanischen Bürgerkriegs. Mittlerweile sind Briana und Phoebe junge Frauen, die sich um Verwundete kümmern. 

Nach dem Krieg antwortet Phoebe in ihrer Naivität auf eine Heiratsanzeige, weil sie endlich einen Cowboy als Ehemann will. Briana begleitet sie auf die Reise, die sie ins wilde Herz des Westens - bis nach Montana führen wird. 

Zuerst lernt man die Frauen während des Krieges kennen, wie sie Verwundete versorgen, dem Arzt bei Amputationen zur Seite stehen, blutige Lappen auskochen oder erschöpft durch die Reihen der Toten gehen. Diese Szenen hat Alexandra Fischer perfekt eingefangen und mir vor Augen geführt. Schlimm ist, welche geringen medikamentösen Mittel zur Verfügung standen, und durch welches Leid diese Menschen gegangen sind. 

Danach nimmt die Handlung an Fahrt auf, weil sich Briana und Phoebe auf den Weg nach Missouri machen. Phoebe ist hoffnungsvoll, mit Vorfreude aufgeladen und absolut naiv - weil sie sich ihren zukünftigen Ehemann Silas wie einen Cowboy aus den Groschenromanen vorstellt. Hier musste nicht nur Briana den Kopf über ihre Freundin schütteln, ich hätte ihr ebenso gern ihre Fantasien ausgetrieben. 

„Ab diesem Moment waren sie zwei Frauen aus dem Osten, die auf dem Weg zu einem gesuchten Banditen durch Missouri fuhren“. (S. 86)

In Missouri eingetroffen, lernen wir Silas und seinen Bruder Jesse kennen, die nicht nur Phoebes neue Familie sondern auch Banditen sind.

Ab Missouri geht es im Siedlertrek quer durch die Prärie, weil sie Montana erreichen möchten. Dort wartet ein neues Leben - inklusive einer vielversprechenden Ranch - auf sie.

Ich habe die Reise in das wilde Herz des Westens genossen. Die Sonne brennt auf der Haut, der Wind weht durch die Prärie, was später in grausiges Wetter und eiskalte Nächte umschlägt. Alexandra Fischer hat den historischen Rahmen, die Atmosphäre, all diese Mühen, Anstrengungen und Gefahren perfekt in Szene gesetzt.

„In keinem von Phoebes Groschenromanen war zu lesen gewesen, wie das Leben in einem Planwagen ablief. Man schlief auf engstem Raum, kochte im Freien, wusch sich an Bächen, Flussläufen oder aus Eimern und verrichtete sein Geschäft am Wegesrand.“ (S. 146 - 147)

Zudem schärft sie das Auge für die damaligen gesellschaftlichen Bedingungen in Amerika. Zum Beispiel waren Iren gar nicht gerne gesehen, wurden fast schon mit Schwarzen auf eine Stufe gestellt. Sie haben gleichzeitig als aufgebrachter Mob oder garstige Banditen für Furore gesorgt. Hierzu wird man als Leser auch in städtisches Treiben versetzt, das in einem weiteren Handlungsstrang um den Iren Frank, in der Gesamthandlung seinen Platz findet.

Ich habe mich sehr, sehr gerne auf den Weg in das wilde Herz des Westens gemacht. Zwar gab es manchmal Passagen, die mir einen Hauch zu emotional geworden sind, diese gliedern sich dennoch exzellent in das Gesamtgeschehen ein, was absolut packend ist. 

Obwohl ich hier relativ viel über die Handlung erzähle, kann ich versprechen, dass das nicht einmal die Spitze des Eisbergs ist. Neben der anstrengenden Reise, etwas Gefühl und Emotion, und dem historischem Gegebenheiten, kommen spannende Krimi-Elemente und familiäre Verstrickungen vor, die äußerst spannend zu lesen sind.

Als Leser stoßt man in diesem Buch mitten in das wilde Herz des Westens vor, wo man in die gesellschaftlichen Abgründe Amerikas blickt, mehr über die Auswirkungen des Bürgerkriegs erfährt und die Geschichte zweier mutiger Frauen sowie der Siedler erfährt. Leseempfehlung!