Rezension

*+* Mittendrin und doch außen vor *+*

Unser sechzehntes Jahr - Nancy Salchow

Unser sechzehntes Jahr
von Nancy Salchow

Bewertet mit 4 Sternen

Inhaltsangabe:
Sechzehn Jahre ist es her, dass sich die junge Fiona das Leben nahm. Niemand in ihrer Familie spricht darüber, jedes Wort scheint verboten. Nur Nathalie, die ihre Schwester niemals kennenlernte, wagt an ihrem fünfzehnten Geburtstag die Frage, die alte Wunden aufreißt und ihre Familie erneut in eine tiefe Krise zu werfen droht: Gäbe es mich, wenn sie nicht tot wäre? Ein Roman über das Verarbeiten von Trauer, menschliche Schwächen und die Kraft der Liebe (Quelle: Lovelybooks)

Das Cover:
Vor einem blauen Himmel hält eine Hand zwei Pusteblumen und es ist schon ein Teil der Samenschirmchen weg gepustet. Nach der Lektüre des Buches muss ich sagen, dass diese Cover-Gestaltung perfekt zur Geschichte passt. Das Schicksal weht in das Leben vieler Menschen hinein. Je nachdem, bei wem es aufschlägt, wird es verschiedene Nährböden der Verarbeitung finden. Und mit ein bisschen Glück findet es einen Platz, an dem sogar etwas Positives aus dem Schlimmen wachsen kann.

Meine Zusammenfassung und Meinung:
An ihrem 15. Geburtstag muss Nathalie es endlich wissen. Sie stellt ihrer Mutter Dascha die Frage, die sie schon so lange quält: „Gibt es mich nur, weil Fiona sich umgebracht hat?“
Diese Frage ist berechtigt, denn nachdem Fiona damals, vor 16 Jahren, ihrem Leben ein Ende gesetzt hatte, sah Dascha ein zweites Kind für sich als letzte Möglichkeit dieses Trauma zu verarbeiten.
Dascha ist zum Glück so ehrlich und sagt Nathalie, dass deren Vermutung stimmt. Leider findet sie nicht die Kraft, um ihrer Tochter noch viel mehr zu sagen. Dascha liebt ihre Tochter Nathalie und sie bedeutet ihr mittlerweile so viel, auch wenn sie zunächst nur Mittel zum Zweck war.
Als Fiona sich umbrachte, änderte sich verständlicherweise alles für ihre Eltern. Armin, der Vater, stürzte sich in die Arbeit und versuchte so, seinen Verlust zu kompensieren. Dascha, die Mutter, fand den Boden, der ihr unter den Füßen weggezogen war, nicht mehr wieder. Sie machte zu und verweigerte jegliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Nun, wo ihre zweite Tochter sie mit diesem schrecklichen Thema konfrontiert, muss sie einsehen, dass ihre Vogel-Strauß-Taktik ihr nichts gebracht hat. Im Gegenteil, durch ihre verschlossene und verdrängende Art droht sie, einen Keil zwischen sich selbst und Nathalie zu schieben. Den Zugang zu ihr zu verlieren, ist das Letzte, was Dascha möchte. Die einzige Möglichkeit, das nötige Vertrauen aufzubauen, ist, sich zu öffnen und dem Selbstmord und auch Fiona selbst den Platz in der Familie zuzugestehen, der ihnen zusteht.
Dieses Buch wagt sich an ein ganz wichtiges Thema heran, was leider in unserer Gesellschaft zum Tabu degradiert ist. Selbstmord ist etwas ganz grausames und steht für mich am Ende einer langen Entwicklung, in der die Verzweiflung und das Gefühl des nicht geliebt Werdens und des fehlenden Vertrauens zu dieser schlimmen Tat führten. Ich habe selbst zwei Kinder und durch dieses Buch wurde mir wieder eindringlich in Erinnerung gerufen, dass es nichts Wichtigeres gibt, als dass die Kinder wissen, wie sehr sie geliebt werden und dass sie immer zu uns Eltern kommen können, ohne Wenn und Aber. Sie müssen sich auf ihre Eltern verlassen können und sich sicher sein, dass sie bei ihnen immer in den Hafen der Liebe und der Hilfe einlaufen. Setzt man die falschen Prioritäten, sinkt das Schiff. Ich möchte dies jetzt gar nicht an Fionas Empfindungen und Erfahrungen festmachen, sonst nehme ich für die, die „Unser sechzehntes Jahr“ noch nicht kennen, zu viel von dem Buch vorweg.

Diese Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt. In erster Linie bekommt man Einblicke in die Gedankenwelt und das Leben der Mutter. Diese Kapitel sind in der Ich-Form geschrieben. Ferner beschreibt die Autorin auch die Sichtweisen von Armin bzw. Nathalie. Diese Kapitel lesen wir in der dritten Form. Um Nathalies Empfindungen nachvollziehen zu können, bedient sich Frau Salchow des Tagebuchs des verstorbenen Mädchens. So erfährt der Leser wie es in der kreuzunglücklichen Fiona, die sich völlig unverstanden fühlte, aussah.
Ich habe sehr mit Nathalie gelitten. Sie fühlte sich so lange als nicht zur Familie gehörend, weil sie sich immer ausschließlich als Ersatz für ihre tote Schwester sah und nicht wirklich wusste, was ihre Eltern für sie empfanden.
Wie und vor allem wie unterschiedlich die Eltern mit der grausamen Tat umgingen,wird auch sehr gut deutlich gemacht.
Leider endet Fionas Tagebuch einige Zeit vor dem Selbstmord und es wird nicht ihre Gedankenwelt bis ins letzte Detail preisgegeben, sodass der Leser doch etwas im Unklaren gelassen wird, was der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte und zum Entschluss führte, freiwillig dem Leben ein Ende zu bereiten.
Was ich ein wenig schade fand, war, dass das Buch ein offenes Ende hat. Es wird zwar gezeigt, dass die Familie durch Daschas beginnende Veränderung einen Wendepunkt erreicht hat. Mich hätte es aber interessiert wie die Autorin die Entwicklung zumindest in der ersten Zeit danach sieht.

Mein Fazit:
„Unser sechzehntes Jahr“ setzt sich auf beeindruckende Art und Weise mit dem Thema „Selbstmord“ auseinander. Ich finde es empfehlenswert, ziehe aber einen Stern wegen meiner Kritikpunkte ab. Daher vergebe ich 4 von 5 Sternen.

Infos zum Buch:
Laut amazon ist diese Ausgabe von „Unser sechzehntes Jahr“ am 11. August 2013 bei neobooks Self-Publishing erschienen. Es umfasst 102 Seiten und ist auch als eBook erhältlich