Rezension

Mittlerer Teil der Thriller-Trilogie

Narbenkind
von Erik A. Sund

Die Mordserie an misshandelten Jungen wird nicht weiter verfolgt, denn es handelt sich ja "nur" um namenlose Einwanderer. Der Mord an einem bedeutenden Geschäftsmann zieht dagegen alle Aufmerksamkeit auf sich. Und es bleibt nicht dabei - die Kommissarin Jeanette Kihlberg hat viel zu viel zu tun. Sie findet zu wenig Zeit für ihren Sohn, und auch die aufkeimende Freundschaft zu der Psychologin Sophia kann sich kaum weiterentwickeln. Denn trotz des Verbotes ihres Vorgesetzten kann Jeanette die Kindermorde nicht ruhen lassen. Dabei steht ihr Privatleben nun wirklich auf dem Kopf...

Wie im ersten Band wechseln die beide Autoren zwischen verschiedenen Sichtweisen; die Kapitelüberschriften geben den Ort der Handlung an, so dass der Leser daraus Rückschlüsse ziehen kann. Doch in ihren zahlreichen Andeutungen sind sie sehr geschickt darin, den Leser auf eine falsche Fährte zu führen. Und so gibt es auch in diesem Buch einige unverhoffte neue Erkenntnisse, aber auch die Entdeckung, dass einige vermeintliche Gewissheiten auf Trugschlüssen basieren. Das macht das Buch spannend. Der Leser glaubt immer wieder, Jeanette voraus zu sein und weiß tatsächlich um viele Geschehnisse, die sie noch nicht kennt; dafür aber zieht er Verbindungen, die sie noch nicht sehen kann, und liegt dabei nicht immer richtig. Der Leser kann sich dabei ertappen, dass er Lücken passend ausfüllt und sich so die Zusammenhänge erklärbar macht, dass er also damit die Geschichte für sich selbst konstruiert und seine eigene Welt schafft - genau wie die teils schwer gestörten Persönlichkeiten. Von den scheinbar "Normalen" ist der Weg zu den "Kranken" gar nicht so weit. 

So viel Spannung und die Möglichkeit, sich selbst und seine Gedankengänge zu hinterfragen, haben das Buch für mich zu einem ansprechenden Leseerlebnis werden lassen. Das trägt auch über manche Schwächen hinweg, so z. B. über den Cliffhanger aus dem ersten Band, der sich hier zunächst ohne weiteren Höhepunkt einfach auflöst. Die in diesem Band neu eingeführten Personen versprechen weitere Komplikationen und regen zu Vermutungen an. Ob diese nun stimmen oder sich im Abschlussband auch als trügerisch erweisen werden? Ich jedenfalls bin gespannt und freue mich auf die Lektüre.