Rezension

Moderner Schauerroman

Der Vogelgott
von Susanne Röckel

Bewertet mit 4 Sternen

Wow, was für eine Geschichte. Dieses Buch zu beschreiben ist wirklich nicht einfach. Fast wollte ich am Ende wieder von Vorne anfangen, Spuren finden, die mir bei ersten lesen entgangen sind, Zusammenhänge besser begreifen. Doch wie beängstigend nah komme ich mit diesem Verhalten den Personen im Buch? Zu nah. Also halte ich lieber gleich meine Eindrücke fest:

Durch seltsame Zufälle kommen sowohl der ornithologisch interessierte Vater Konrad Weyde in seinen jungen Jahren, der ziellose jüngste Sohn Theodor, die kunstinteressierte Schwester Dora sowie der rationale und fleißige älteste Sohn Lorenz auf verschiedenste Art und Weise mit dem düsteren Kult um den Vogelgott in Kontakt. So stammt das Vorwort aus einem alten Reisetagebuch des Vaters, der zu Hause nie über seine seltsamen Erlebnisse gesprochen hat. Später wird jeweils nacheinander aus der Perspektive der drei Geschwister erzählt. Und was die erleben, kann man getrost als seltsam bezeichnen.

Röckel schafft es eine latent bedrohliche Atmosphäre zu schaffen, auch wenn eigentlich nichts dramatisches passiert. Sie spielt mit Blicken, mit dem Verhalten von Tieren, mit der Veränderung von Licht, mit der Wirkung einer Person oder eines Bildes und mit Gerüchen. Oft riecht es wie im Präparationsraum des Vaters, was ich schon reichlich unheimlich fand. All das schafft eine schauerliche Grundstimmung, die mir sehr gefiel. Auch, dass alles rätselhaft bleibt hat seinen Charme. Die Akteure wissen selbst nicht genau was mit ihnen passiert, können Gefühle und Erlebtes nicht genau beschreiben auch wenn sie von Neugier und Angst getrieben sind.

Gefallen haben mir auch die unterschiedlichen Perspektiven. Die drei Geschwister stehen an völlig verschiedenen Punkten in ihrem Leben, haben kaum noch miteinander zu tun und geraten trotzdem alle irgendwie in die seltsamen Fänge des Vogelgottes. Die dezenten Verbindungen, die es zwischen den drei Geschichten gibt, haben alles wunderbar abgerundet. Am besten hat mir der Teil um Dora gefallen, in dem es viel um Kunstgeschichte und um eine mittelalterliche Mariendarstellung geht. Das fand ich besonders spannend.

Ich kann mir vorstellen, dass es für den ein oder anderen Leser frustrierend sein kann, keine konkrete Auflösung präsentiert zu bekommen. Aber für mich hat es viel vom Reiz des Buches ausgemacht, dass man sich selbst eine Theorie zurechtlege kann. Anhaltspunkte dafür gibt es viele. Röckel füttert den Leser mit Legenden und Märchen, deren Ursprung mal christlich ist mal aus der griechischen Mythologie kommt oder komplett ihrer Fantasie entspringen. Es gibt zwielichtige Leute, erhellende Schriftstücke, rätselhafte Bilder. Viel Stoff zum nachdenken.

Mir hat die düstere und bedrohliche Stimmung des Romans sehr gefallen. Des Öfteren musste ich an die Erzählungen von H.P. Lovecraft oder andere Schauergeschichten denken. Zudem ist die Sprache Röckels einfach toll. Ich hätte das ganze Buch laut vorlesen mögen, weil es einfach einen wunderbaren Klang hat. Als Hörbuch dürfte es eine Freude sein. Insgesamt ist der Vogelgott ein spezielles Buch, das auf eine unkonventionelle Art fesselt, verwirrt und begeistert.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 13. September 2018 um 19:43

Ah, schön hast du das gesagt. Und es bekräftigt meinen Entschluss, dieses Mal sehr sehr wenig von den Buchpreislern zu lesen. Immerhin drei stehen schon parat. Aber dabei solls auch bleiben.

katzenminze kommentierte am 13. September 2018 um 21:22

Ah, welche drei denn? ^.^ Ich finde die Auswahl dieses Jahr sehr fein. Bis auf Archipel hätte ich Lust auf die komplette Shortlist. Biller kommt auf alle Fälle noch.

katzenminze kommentierte am 19. Oktober 2018 um 11:29

Haha, so viel zu "dabei solls auch bleiben". ;) Jetzt hast du es doch an der Backe.

yvy kommentierte am 14. September 2018 um 15:50

Das klingt wirklich gut. Damit bleibt das Buch definitiv vorerst auf meiner WL und wird vielleicht irgendwann tatsächlich gekauft und gelesen. :)

katzenminze kommentierte am 19. Oktober 2018 um 11:28

So, jetzt hast du es gewonnen! :D Das ist doch noch besser! Dann darf ich ab sofort auf deine Rezi gespannt sein. ^.^

yvy kommentierte am 19. Oktober 2018 um 12:07

Ich schwelge gerade im Gewinnerglücksrausch. :)))

wandagreen kommentierte am 19. Oktober 2018 um 12:55

:DDD

 

wandagreen kommentierte am 19. Oktober 2018 um 12:54

Ich hab Hysteria gelesen und bekanntlich den Biller, der die Geister scheidet, habe "So hoch die Wasser steigen" gelesen, das find ich eigentlich ganz gut, dann les ich den Vogelgott mit euch, Aline sei Dank, und noch den Gott der Barbaren. Das steht fest.