Rezension

Modernes Märchen, das mich nicht überzeugen konnte

Seeherzen - Margo Lanagan

Seeherzen
von Margo Lanagan

INHALT

"Rollrock Island ist eine raue Insel irgendwo im Norden, betäubt vom Geschrei der Möwen, dem Brüllen der Robben und dem Rauschen der Wellen, bevölkert von armen Fischern und ihren streitsüchtigen Frauen.
Doch Rollrock Island ist auch ein Ort voller Magie: Unten auf dem windigen Strand, wo die Robbenherden lagern, wirft das ungeliebte Mädchen Miskaella ihre Zauber aus und lockt wunderschöne Frauen aus den Robbenkörpern. Die schönsten Frauen, die die armen Fischer je gesehen haben. Und mit ihnen nimmt Miskaellas Rache ihren Lauf.

Ein Roman für geübte Leser, die sich mehr von einem Buch wünschen als allein eine Geschichte."
Quelle Rowohlt Rotfuchs

 

MEINE MEINUNG

Seeherzen ist mein erstes Buch von Margo Lanagan und ich wusste nicht recht, was mich erwarten würde. Der Klappentext klingt nach bösen Meerwesen und einer rachsüchtigen Heye, doch gleichzeitig wird der Leser mehr oder weniger gewarnt: "Ein Roman für geübte Leser, die sich mehr von einem Buch wünschen als allein eine Geschichte". Als jemand, mit Deutsch Leistungskurs im Abitur und einem sich dem Ende zuneigenden Germanistikstudium war ich mal so frech, mich als geübte Leserin zu bezeichnen und das Buch zu lesen. Auch jetzt, nach dem Buch, bin ich noch verwirrt. Habe ich etwas überlesen? Habe ich etwas Grundlegendes nicht verstanden? Was ist denn dieses "mehr" in dieser Geschichte? Ich fürchte, ich weiß es nicht. 

Seeherzen wird aus der Ich-Perspektive vieler Figuren erzählt. Da ist einmal Miskaella, die Hexe, die den Robbenweibchen ihren Pelz nehmen und sie zu Menschenfrauen machen kann. Und dann sind da noch die verschiedensten Menschen, die mit Miskaella oder den Robbenfrauen zu tun haben. Männer, die sich auf einen Deal einlassen. Kinder, nicht verstehen, dass ihre Mütter anders sind. Kinder, die spüren, dass sie selbst nicht zu 100 Prozent menschlich sind, und die dem Lockruf des Meeres folgen wollen. Sie alle erzählen ihre eigene Geschichte, die nur bedingt mit denen der anderen zusammenhängt. Natürlich spielt alles auf Rollrock Island (zumindest zum größten Teil) und natürlich dreht sich alles irgendwo um Miskaella und die Robbenfrauen. Aber was mir gefehlt hat, war ein roter Faden. Worum soll es in dieser Geschichte gehen, wohin führt sie uns, was soll hier eigentlich erzählt werden? 

Am besten verständlich ist wohl die Geschichte der jungen Miskaella und was ihr alles passieren musste, damit sie später einmal zur meist gefürchteten Frau auf ganz Rollrock Island wird. Sie wird verachtet, verstoßen und vermieden. Jeder, selbst ihre eigene Familie, bezeichnet sie als fett und hässlich. Die einzigen, zu denen sie sich hingezogen fühlt, sind die Robben am Strand. Irgendwann entdeckt sie ihre Fähigkeiten. Dass sie den Robben ihren Pelz nehmen und sie zu annähernd menschlichen Wesen machen kann. Sie erkennt ihren Profit darin und beginnt, Geschäfte mit den Männern der Insel zu machen. Für Geld gibt sie ihnen die schönste Frau, die sie je gesehen haben, viel schöner noch als die Menschenfrauen auf Rollrock Island. Mit der Zeit häuft Miskaella ein wahres Vermögen an. Sie ist keine sympathische Figur, aber man versteht ansatzweise, warum sie geworden ist, wie sie ist. Sie will den Frauen von Rollrock Island zeigen, wie es ist, als nicht gut genug befunden zu werden, missachtet zu werden, verschmäht zu werden. 

Die anderen Figuren sind meistens Kinder, die mit den Robbenfrauen und Miskaella aufwachsen und selbst entscheiden müssen, ob sie lieber eine Menschen- oder eine Robbenfrau heiraten möchten. Ob sie auf Rollrock Island bleiben oder es verlassen möchten. Die Zusammenhänge sind da, klar, aber irgendwie fehlt der Geschichte ein roter Faden, ein Sinn. Man liest und liest und liest und hat nicht das Gefühl, voran zu kommen. 

Anfangs dachte ich, dieses angesprochene "mehr" könnte vielleicht den Schreibstil beschreiben. Aber für meinen Geschmack ist der nichts Besonderes. Er ist relativ trocken und emotionsarm, weder besonders blumig noch besonders poetisch, sondern eher nüchtern. Er ist nicht sperrig, liest sich aber auch nicht so flüssig, wie ich gehofft hatte. Es ist kein Schreibstil, der mich fasziniert oder verzaubert, aber er ist relativ gut lesbar. 

Seeherzen ist ein modernes Märchen. Es erzählt die Geschichte einer Hexe, die sich an ihrem Volk rächen will. Sie gibt den Männer, von dem diese denke, dass sie es am meisten wollen. Die Männer merken nicht, dass sie Miskaella damit genau das zurückgeben, was diese will. Es ist ein Märchen über Veränderung. Nicht nur von der Robbe zum Menschen, sondern auch innerlich. Eine Geschichte über Sehnsucht, über geheime Wünsche, über Begierde. Es erzählt von Magie, von Liebe, von Rache, von Wut, von Freude. Es hat all das. Aber ich sehe nicht den Funken, derSeeherzen von anderen seiner Art abhebt. Ihm fehlt das gewisse Etwas, ihm fehlt Spannung, ihm fehlt ein fesselnder Schreibstil, ihm fehlt umwerfende Figuren. Es ist okay. Aber nicht mehr. 

3,5 von 5 Punkten
Cover 1 Punkt, Idee 1 Punkt, Plot 1/2 Punkt, Figuren 1/2 Punkt, Sprache 1/2 Punkt
~*~ Rowohlt Rotfuchs ~*~ 331 Seiten ~*~ ISBN: 978-3-449-21160-7 ~*~ Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag ~*~ 16,99€ ~*~ 1. März 2014 ~*~