Rezension

Mörderischer Schneefall im Grenzgebiet

Grenzfall - Ihr Schrei in der Nacht -

Grenzfall - Ihr Schrei in der Nacht
von Anna Schneider

Bewertet mit 4 Sternen

Im Warmen und Trockenen auf der Couch sitzend fühle ich mich den armen Opfern in Krimis doch immer eine Spur überlegen. Aber wenn ich so drüber nachdenke, bin ich auch schon das ein oder andere Mal in Situationen gekommen, in der mich womöglich jemand einfach hätte wegschnappen können, wenn er es darauf angelegt hätte. Vor allem wenn ich in einer Gegend unterwegs war, die ich von klein auf kenne. Juliane geht es ebenso. Im Schneesturm unterwegs auf dem Weg nach Hause zu ihren Eltern verliert sich ihre Spur im Schnee. Mit ihr verschwinden vier andere junge Menschen – hüben wie drüben. Es ist der zweite Grenzfall der deutschen Oberkommissarin Alexa und dem österreichischen Chefinspektor Bernhard, doch das werden beide erst viele Seiten später herausfinden. Alexa ist in einer persönlich sehr angespannten Situation mit ihrer Mutter und versucht zugleich in der neuen Wirkungsstätte Fuß zu fassen. Doch die Kollegen sind ihr noch nicht sehr vertraut, sie bemüht sich möglichst niemanden vor den Kopf zu stoßen. Auch Bernhard ist etwas durcheinander. Der erste Grenzfall vor kurzem und die Begegnung mit Alexa haben ihn aufgewühlt. Außerdem lässt der aktuelle Fall um die zwei vermissten Studentinnen der Innsbrucker Uni unangenehme Erinnerungen aus seiner Wiener Amtszeit zurückkehren.

In Anna Schneiders Krimi kann ich mich sofort hineinfallen lassen. Mit der ersten Seite entsteht dieser typische Sog eines spannenden Falles, der einen das Buch nur ungern aus der Hand legen lässt. Es ist eine angenehme Mischung zwischen den privaten Beziehungen und Konflikten im Leben der Hauptermittelnden und dem aktuellen Fall. Klug im Text platziert, lässt die Autorin ihre Leser ab und an einen Blick durch die Augen der Opfer auf das Geschehen werfen. Das ist ja nicht unüblich in Krimis und Thrillern, dass der Leser den Ermittlern immer eine kleine Spur voraus ist. Das erhöht schön die Spannung auf mehreren Ebenen. Im aktuellen Fall bangt man vor allem um die Leben der entführten Mädchen und hofft, dass dem Täter rechtzeitig auf die Spur gekommen wird.          

Schneiders Erzählen gefällt mir. Es ist detailreich, aber nicht zu szenisch erzählt. Ich habe Raum für mein eigenes Kopfkino. Ihre beiden Hauptfiguren sind mir sympathisch, aber auch noch fremd und unbekannt. Diese Distanz wirkt sich angenehm auf mein Leseempfinden aus. Die Autorin schafft es den Spannungsbogen fast konstant aufrecht zu halten, auch wenn man meint, den Täter bereits enttarnt zu haben, überblickt sich das große Ganze nicht so ohne Weiteres. Hier und da wirken manche Spuren noch zu offensichtlich als falsche Fährten für den Leser gelegt, wobei sich auch dieser Eindruck mit der Gesamtauflösung relativieren lässt. Ich stehe neuen Grenzfällen also sehr aufgeschlossen gegenüber.