Rezension

Moralisch mehr als fragwürdig

Incurable
von John Marsden

Enthält Spoiler!

Cover:
Mir gefällt die blaue Farbe des Covers und dass man die Farm von Ellie darauf erkennen kann. Schade finde ich nur, dass das Cover allgemein sehr kalt wirkt und wenig einladend.

Meinung:
Nachdem ich den ersten Band nicht so berauschend fand, habe ich mich durch den zweiten gequält und bin wirklich maßlos enttäuscht. Zum einen, weil er wirklich langweilig war, teilweise waren Handlungsstränge vollkommen an den Haaren herbeigezogen und moralisch gesehen ist das Buch sehr, sehr fragwürdig.
Ellie bewohnt weiterhin gemeinsam mit dem tauben Gavin die Farm und versucht, so gut es geht, ohne ihre Eltern über die Runden zu kommen. Außerdem sind Homer und Gavin weiterhin in ihre Aktivitäten einer neuen Revolution eingebunden, bei denen Ellie hier und da auch mitmacht. Das ist eigentlich alles, was man über den Inhalt wissen muss, was für mehr als 200 Seiten etwas zu wenig für meinen Geschmack ist.
Fangen wir gleich mal mit der für mich schlimmsten Szene an: Gavin ist durch die Erlebnisse vor dem Krieg und vor allem während des Krieges äußerst stark traumatisiert. Er neigt zu gewalttätigen Ausbrüchen, launenhaften Umschwüngen und ist nicht sozialisierbar. Aber kümmert sich da jemand drum? NEIN! Die Lehrer bestellen Ellie zu einem Gespräch in die Schule, bemerken zwar, dass er ein schwieriges Kind ist, aber keiner schickt ihn zu einem Psychologen oder sonst was. Nicht mal als Gavin mit einem Fahrrad auf einem Katzenbaby herumspringt (!!!) und es dabei umbringt, passiert etwas. Diese Szene fand ich so furchtbar und so schrecklich, dass mir wirklich schlecht wurde. Er tötet ein Katzenbaby, weil er es nicht anders weiß und es erfolgt KEINE Konsequenz. Ich hätte John Marsden als Autor niemals so eingeschätzt und das hat mich wirklich schockiert.
Auch Ellie hat hier und da mit den Kriegserlebnissen zu kämpfen. Ganz nebenbei erfährt man auch, dass ihre Aufzeichnungen als Buch erschienen sind. In dieser Szene wurde deutlich, dass es einen großen Medienrummel gegeben hat, von dem im ersten Band dieser Trilogie aber kein Wort verloren wurde. Fiel John Marsden das erst später ein, oder was sollte das?
Ansonsten passiert in diesem Buch einfach gar nichts. Ich wusste ja durch die Tomorrow-Reihe, dass John Marsden sehr langsam und detailliert vorgeht. Aber in der Reihe lag der Fokus auf die psychologische Entwicklung der Figuren, wodurch jedes Buch doch wieder an Inhalt gewann, auch wenn sich die Handlung nicht merklich vorwärtsbewegte. Hier ist es nicht so. Alle Figuren sind unsympathisch, traumatisiert und völlig apathisch und niemanden interessiert es. Mittlerweile frag ich mich, was ich überhaupt an Ellie, Homer und Lee finden konnte. Was ist passiert, dass ich sie nicht mehr mag? John Marsden verdirbt sich damit sein eigenes Werk.
Ich hab vielfach Seiten übersprungen und siehe da, ich habe absolut nichts an Inhalt verpasst, was traurig ist. Ellie managt ihr Leben auf der Farm, rettet Lee und Homer aus ihren Aktivitäten und das war’s.
Und da das wahrscheinlich sogar John Marsden gemerkt hat, wird auf den letzten 2-3 Kapiteln nochmal eine absolut irrsinnige und völlig an den Haaren herbeigezogene Verfolgungsjagd beschrieben, die ich mir nicht durchgelesen habe, weil ich die Idee bescheuert fand. Gavins Vater taucht plötzlich auf und verfolgt ihn, weil er ihn töten möchte. Einfach so. Warum und wieso erfährt man nur sehr zusammenhangslos, weil diese Szenen absolut kein Fundament besaßen, etwas, was ich bei John Marsden nicht vermutet hätte.
Das ist dann das Ende von dem zweiten Teil, der mich mit einem absolut bitteren Nachgeschmack zurücklässt.

Fazit:
Das Buch ist furchtbar. Zum einen, weil nichts passiert und alle Figuren völlig neben sich stehen und keinerlei Sympathie hervorrufen können. Was mich aber am meisten schockiert ist die Szene mit der Katze, die vollkommen ohne Konsequenz bleibt. Traumatisierte Kinder aus Kriegszeiten werden sich selbst überlassen und das ist etwas, was ich absolut nicht verstehen und deshalb auch nicht akzeptieren kann.