Rezension

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Mordermittlung mit politischer Sprengkraft

Die Tote im Wannsee - Lutz Wilhelm Kellerhoff

Die Tote im Wannsee
von Lutz Wilhelm Kellerhoff

1968 im geteilten Berlin, die Stimmung ist aufgeheizt, die Atmosphäre der Stadt gleicht einem politischen Dampfkessel. Im Osten die DDR, in Westberlin Studenten, deren Positionen und Proteste sich immer mehr radikalisieren, und ehemalige Nazis im Staatsdienst, deren Kriegsverbrechen unter den Teppich gekehrt werden. Dazwischen das ganz normale Leben...

Als die offensichtlich brutal ermordete Leiche einer Frau aus dem Wannsee auftaucht, gehört der junge Kommissar Wolf Heller zum Ermittlerteam. Heller ist ein sympathischer Zeitgenosse, der bei einer alleinerziehenden Mutter zur Untermiete wohnt, ihren Kindern Radfahren beibringt, und der für eine große Karriere wohl einfach zu ehrlich ist. So kann er den Fall der Toten im Wannsee nicht ruhen lassen, auch wenn alles so aussieht – oder aussehen soll – als handele es sich um eine gewöhnliche Beziehungstat. Heller bohrt auf eigene Faust tiefer und stößt dabei auf einen Sumpf politischer Verschwörungen und Lügen. Parallel dazu gibt es einen weiteren Erzählstrang um Louise Mackenzie, eine junge Studentin, die in einer Kommune lebt und mit der zunehmenden Gewalt ihrer Mitstreiter ringt. Mehrfach kreuzt ihr Weg dabei den von Heller.

Das Buch ist wirklich spannend und gut geschrieben, wenn auch für meinen Geschmack etwas sehr sachlich und schnörkellos. Die Einbettung in den zeitgenössischen Kontext gelingt den Autoren sehr gut, vor allem ist dieser hier nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern integraler Bestandteil der Geschichte. Auch die Darstellung der Perspektive der Studenten ist gelungen. Andererseits sind dieser Erzählstrang und derjenige um Heller meines Erachtens zu lose verknüpft. Auch die Passagen aus Hellers Privatleben hätten mehr Potential gehabt, so blieb die Person mir doch relativ fremd. Das gilt auch für die Frauenfiguren, die sich irgendwie sämtlich leicht irrational verhalten. Positiv zu erwähnen ist diesbezüglich allerdings, dass die Beweggründe der Feministinnen dieser Zeit keineswegs als irrational dargestellt werden, sondern chauvinistische Strukturen und Verhaltensweisen, nicht zuletzt auch der jungen Revoluzzer, beschrieben werden.

Am Ende des Buchs findet sich noch ein Glossar, in welchem Begriffe wie „Stasi“ oder „reaktionär“ erläutert werden – da fühle ich mich als Leserin nicht hinreichend ernstgenommen. Alles in allem aber ein sehr lesenswerter Polit-Krimi!