Rezension

Motivierend & inspirierend, aber könnte mehr Spannung vertragen

Sterne sieht man nur im Dunkeln - Meike Werkmeister

Sterne sieht man nur im Dunkeln
von Meike Werkmeister

Bewertet mit 3.5 Sternen

Inhalt
Anni hat im Prinzip alles, um rundum glücklich zu sein: Mit ihrem Freund Thies führt sie seit Jahren eine glückliche Beziehung - auch ohne Ring am Finger -, ihr Job als Game-Designerin in Bremen strapaziert zwar gelegentlich ihre Nerven, aber ist zumindest nicht langweilig, und privat lebt sie ihre Kreativität beim Gestalten von Poster- und Postkartenmotiven aus. Anni sieht keinen Grund, daran etwas zu ändern - bis ihr Chef ihr die Leitung des neuen Büros in Berlin übertragen und Thies plötzlich aus heiterem Himmel Heiratspläne schmieden will. Anni ist komplett überrumpelt und verwirrt.
Als sich ihre Jugendfreundin Maria zum ersten Mal seit Jahren meldet, ergreift Anni die Gelegenheit zur Flucht: Sie packt ihre Sachen und reist für 6 Wochen nach Norderney, in der Hoffnung, dass sie dann klarer sieht. Doch zwischen Maria und Anni gibt es noch einige ungeklärte Dinge, die Annis Gefühle noch mehr aufwühlen. Anni wird bald klar, dass sie erst mit ihrer Vergangenheit abschließen muss, um ihre Zukunftspläne zu ordnen.

Meine Meinung
Eins vorab: Man sollte nicht dem Trugschluss erliegen, dass es sich bei "Sterne sieht man nur im Dunkeln" um einen Liebesroman handelt. In erster Linie ist Meike Werkmeisters Debütroman ein Selbstfindungsroman, denn Protagonistin Anni stellt in der Mitte ihres Lebens noch einmal komplett infrage, ob der Weg, den sie bisher gegangen ist, denn auch der richtige für sie ist - in beruflicher wie auch in privater Hinsicht. Allein dafür hat Anni meiner Meinung nach ordentlich Applaus und Respekt verdient. Sich damit aktiv auseinanderzusetzen und dann tatsächlich den Schritt zu wagen, fällt den wenigsten leicht. Noch mehr Anerkennung hat sie sich dann dadurch verdient, dass sie sich zum Nachdenken ausgerechnet zu der Person zurückgezogen hat, die sie vor vielen Jahren so unglaublich verletzt hat, dass sie nicht mal mehr mit ihr reden wollte (oder konnte). Sich bewusst wieder einem Menschen zuzuwenden, von dem man weiß, dass er oder sie einen emotional wehtun kann, ist ein Risiko, das ich persönlich wohl nicht eignehen würde. Um nicht zu viel vorweg zu nehmen, werde ich nicht explizit anführen, was die Freundschaft der beiden damals zerstört hat. Mir hat dieser Part der Storyline jedenfalls von der Grundidee sehr gut gefallen. Ich hatte allerdings auch das Gefühl, dass Meike Werkmeister das Potenzial hier nicht voll ausgeschöpft hat.
Das zweite große Problem in Annis Leben ist der plötzliche Heiratswunsch ihres Freundes Thies - ein Thema, das die Leserschaft sicherlich in zwei Lager spalten wird. Während einige nämlich nur darauf warten, dass ihr Partner die alles entscheidende Frage stellt, ist Anni von der Vorstellung alles andere als begeistert - und da bin ich ganz auf ihrer Seite. Im Grunde ist eine Hochzeit unnötig, solange die Beziehung gut läuft und man weiß, was man am anderen hat. Ein Ring am Finger steht ja nun weiß Gott nicht mehr für einen Bund fürs Leben, ebenso wenig wie die Entscheidung gegen eine Ehe automatisch ausschließt, dass man die ´große Liebe´ gefunden hat. Annis Einstellung zum Heiraten war für mich also vollkommen nachvollziehbar, für manche jedoch evtl. nicht. Darum an dieser Stelle mein nett gemeinter Hinweis an alle zukünftigen Leser/innen: Wer zu jener Gruppe gehört, für die Hochzeiten das romantischste Ereignis auf Erden sind und einen Ring am Finger als ultimativen Liebesbeweis ansehen (was vollkommen okay ist), sollte dieses Buch möglicherweise lieber nicht in die Hände nehmen. Er/Sie hat u.U. erhebliche Probleme mit Anni als Person, weil er/sie ihre Entscheidung missbilligt. Ich will nicht sagen, dass mir Thies nicht auch leid getan hat, als sein Wunsch nicht die Jubelschreie ausgelöst hat, die er sich gewünscht hätte. Aber das hat sie ja nicht, weil sie ein herzloses Miststück und Thies ihr egal ist. Im Gegenteil: Sie weiß sehr wohl, dass Thies eigentlich der perfekte Partner für sie ist: verständnisvoll, verlässlich und in der Regel lässt er ihr ihren Freiraum. Genau aus diesen Gründen war er mir ebenfalls auf Anhieb sympathisch. Und es war ziemlich schwer, böse auf ihn zu sein, weil er Anni mehr oder weniger vor ein Ultimatum gestellt hat.
Der dritte Konflikt tut sich parallel dazu in Annis Berufsleben auf. Mit ihrer Arbeit in einer Game-Design-Agentur ist sie nicht zu hundert Prozent zufrieden, insbesondere dann, wenn ihre Ideen durch (völlig unpassende) Vorschläge jüngerer Mitarbeiter/innen ersetzt werden. An sich fand ich ihren Job ziemlich cool, wenngleich ich verstehen kann, wie frustrierend es ist, wenn man sich nicht so verwirklichen kann, wie man gerne möchte. Kreative Selbstverwirklichung ermöglicht ihr lediglich ihr ´Hobby´ - das Gestalten von Postkarten. Als sehr schönes Extra sind die designten Postkarten übrigens im Appendix angehängt. Für jemanden wie mich, die Sprüchepostkarten liebt und sammelt, ist diese Kombi perfekt.
Ich verrate an dieser Stelle natürlich nicht, wie Anni die jeweiligen Konfliktpunkte für sich löst. So viel kann ich aber sagen: Man geht mit einem positiven Lebensgefühl und der Überzeugung, man könne seine Träume verwirklichen, aus dem Leseerlebnis hervor. Allein dafür ist "Sterne sieht man nur im Dunkeln" eines näheren Blicks würdig. Dennoch hat der Roman für mich persönlich einen entscheidenden Schönheitsfehler, aufgrund dessen ich nie vollkommen in Annis Geschichte versunken bin: Er nimmt nie richtig Fahrt auf. Obwohl es einige Konfliktpunkte und auch dramatische Anstiege gibt, hat der Erzählrhythmus eher etwas Gemächliches. Gelegentlich ist mir das bei Romanen sehr willkommen, in diesem Fall war ich wohl einfach nicht in der richtigen Stimmung, um diese Ruhe genug wertschätzen zu können.

Mein Fazit
"Sterne sieht man nur im Dunkeln" ist - trotz der anfänglich sehr vertrackten Situation für Protagonistin Anni - letztlich ein Feel-Good-Roman, der mich vor allem dazu animiert bzw. mich darin bestärkt hat, meine Träume weiterzuverfolgen. Für diese Botschaft hat Meike Werkmeisters Debüt durchaus ein Sternchen verdient. Trotzdem sehe ich persönlich noch das ein oder andere Verbesserungspotenzial, bezüglich der schriftstellerischen Karriere der Autorin bin ich aber durchaus optimistisch gestimmt.

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