Rezension

Mütter sind anders. Töchter auch

Mutters Puppenspiel - Ulla Coulin-Riegger

Mutters Puppenspiel
von Ulla Coulin-Riegger

Die Ärztin Lisette ist nie aus der Kindhaltung gegenüber ihrer Mutter herausgewachsen. Jetzt möchte sie aber selber Mutter werden. Was ihr dazu fehlt: ein Partner, der diese Entscheidung mitträgt, genügend Selbstbewusstsein und jemanden, der ihr auch in schwierigen Situationen den Rücken stärkt. Man möchte es ihr gönnen, wenn sie ihr Glück findet, doch die Steine auf ihrem Weg müsste sie schon selber überspringen.

Der Roman Mutters Puppenspiel, verfasst von Ulla Coulin-Riegger befasst sich mit zwei Themen: dem Kinder- und Partnerwunsch einer erfolgreichen, auf die vierzig zusteuernden Frau sowie der Loslösung von der eigenen Mutter, zumal diese selbstbezogen, manipulativ und wenig mitfühlend ist. Ersteres gelingt der Autorin Ulla Coulin-Riegger nicht schlecht. Ich gehe anstrengungslos mit den Nöten, Zweifeln, Gedankenspielen einer alleinstehenden Frau mit, die die innere biologische Uhr ticken hört. Was die Klagen über die Mutter anbelangt, verursachen mir einige doch Stirnfalten. Seit wann kann man es einer Mutter vorwerfen, dass sie ihre Tochter mit Geld und Schmuckstücken beschenkt? Oder dass sie offen ausspricht, was sie denkt, wenn ihre Tochter sich in einen verheirateten Mann verguckt und dann auch noch von ihm schwanger wird? Oder dass sie das Familienbild ihrer Zeit verinnerlicht hat? Oder dass keine Blumen auf dem Kaffeetisch stehen, wenn die Tochter sie sonntags besucht.

Die Hauptfigur Lisette in diesem Roman macht genau dies: Sie wirft ihrer Mutter alles vor, insbesondere ihre Gefühlskälte. Was hinter der schroffen Art der Mutter steckt, bleibt dem Leser verborgen, da diese niemals über „Gefühlszustände und Erinnerungen“ spricht. Und Lisette fragt nicht. Sie möchte die Mutter nicht verärgern und die sonntägliche Zweisamkeit lieber so schnell wie möglich hinter sich bringen. Auch wenn ich weiss, dass einem Mütter schnell die glatten Wände hochbringen: mit der Zeit ärgere ich mich über Lisette mehr, als dass mir die Mutter narzissistisch vorkommt. Da Lisette offensichtlich die Defizite ihrer Mutter kennt und analysieren kann, wäre es wohl an der Zeit, entweder die Mutter damit zu konfrontieren mit allen Konsequenzen oder/und sich zurückzuziehen. Lieber jedoch verfällt Lisette in den Klagemodus über ihre Abhängigkeit, Liebesbedürftigkeit, Unverstandenheit. Genau diese Haltung hindert Lisette auch daran, sich mit der Geschichte ihrer Mutter auseinanderzusetzen, was ihr und uns einiges an Erhellung bringen könnte. Das ist bedauerlich, denn bis zum Ende des Romans hin ergibt sich daraus für Lisette kein wirklicher Schritt nach vorn. Das Gegenteil ist der Fall. Sie unterdrückt ihre innersten Bedürfnisse und opfert sie regelrecht. Da hilft es dann auch nicht, wenn die Liebesgeschichte mit dem verheirateten Emil auf ein vermeintlich positives Ende zusteuert. 

Die Autorin Ulla Coulin-Riegger verfügt über eine fundierte psychologische Ausbildung eine Erfahrung in diesem Bereich. Innerfamiliäre Abhängigkeiten und Mechanismen sind bestimmt das, worin sie sich auskennt. Wirkliche Fälle haben allerdings wenig mit Romanen zu tun. Als Leserin erwarte ich, dass eine Romanfigur aus einer Falle herauskraxelt oder einen Erkenntnisgewinn verzeichnen kann. Wenn ich mir das Ende dieses Romans vornehme, so fehlt mir gerade dies. Lisette ist nun zwar mit Emil zusammen, allerdings hat sie ihren Kinderwunsch begraben. In ihrer Mutter-Tochter-Beziehung ist alles beim Alten. Vor allem aber hat Lisette sich mit ihrem Emil – trotz einer Menge schöner Worte – jemanden geangelt hat, der seine Bedürfnisse stets in den Vordergrund stellen wird. Das kommt einem bekannt vor. Wie heisst es zu Anfang des Romans: Neben ihr bin ich klein. Vielleicht müsste es auch am Ende heissen: Klein will ich bleiben.

Titel: Mutters Puppenspiel, Roman, 173 Seiten

Autorin: Ulla Coulin-Riegger

Verlag: Klöpfer,Narr, 2020, 

ISBN 978-3-7496-1027-3

Für wen: Für alle, die nicht klein bleiben wollen. Vielleicht ein Lehrstück, sofern sie die kritische Brille aufsetzen.