Rezension

Musik als Schlüssel für einen Autisten

Der Löwenzahnjunge - Karen Kingsbury

Der Löwenzahnjunge
von Karen Kingsbury

Bewertet mit 3 Sternen

Highschool-Roman mit Schwerpunkten Autismus und Freundschaft, schön und flüssig geschrieben, leider manchmal etwas kitschig und vorhersehbar.

Cover und Gestaltung:

Das Titelbild ist wunderschöne und Henrys blaue Augen kann man sich aufgrund des Coverbildes super vorstellen. Den Blick gen Himmel, wie er für Henry als Autist typisch ist, kann man sich aufgrund der Pose gut vorstellen. Auch Ella und die Löwenzahnwiese als weitere Hauptelemente wecken das Interesse und harmonieren wunderbar. Das Hardcover mit dem schönen Titelbild ist ein echter Eyecatcher im Laden.
 

Inhalt:

Henry ist Autist, seit er drei Jahre alt ist. Sein Vater ist aus lauter Verzweiflung, nicht mehr an ihn heran zu kommen, als Fischer nach Alaska gegangen. Seine Mutter bestreitet den Alltag alleine mit ihm und gibt die Hoffnung nicht auf, dass sein Zustand sich bessert. Bis zu seiner Diagnose Autismus waren Henry und Ella beste Freunde. Das galt auch für ihre Eltern. Doch sein Autismus hat alles verändert. Ellas Eltern sind weggezogen, die Freundschaften erkaltet. Viele Jahre später, Henry ist bereits auf der High School, steht die Aufführung des Schulmusicals "Die Schöne und das Biest" an, bei dem zufälligerweise Ella der Star ist. So begegnet Henry Ella wieder und dank ihr und der Musik beginnt sich alles zum Positive zu verändern.
 

Meine Meinung:

Bisher kannte ich nur die Geschichte von Autisten, die von Geburt an diese Krankheit hatten und mir war auch nicht bewusste, dass sich so große Veränderungen in ihnen vollziehen können. Daher fand ich es spannend, den Roman zu lesen, zumal im Nachwort erwähnt wird, dass Henrys Geschichte auf einer wahren Geschichte eines real existierenden Jungen beruht. Hätte ich dies nicht gewusst, hätte ich an vielen Stellen des Romans gezweifelt, ob eine solch gradlinige und große Veränderung möglich ist. Denn auch wenn ich den Roman verschlungen habe, weil die Kapitel kurzweilig sind und die Sprache so bildhaft, dass das Lesen einfach Spaß macht, so fand ich viele Sachen zu vorhersehbar und zu gewollt, so dass es für mich nicht immer glaubwürdig klang. Ich zweifele nicht daran, dass Gebete und Glaube einiges im Leben bewegen können, ich habe es selbst schon erlebt. Aber die Art und Weise, wie es hier getan wird nach dem Motto: Glaube und Bete nur genug, dann wird alles gut, halte ich doch für fragwürdig. Dass Musik jedoch die Psyche und somit das Verhalten verändern kann, ist für mich hier nachvollziehbar dargestellt. Sie ist auch das verbindende Element der Protagonisten in diesem Buch.

Woher Henrys Autismus kommt, warum sich seine Änderung von einem gesunden zu einem autistischen Jungen vollzieht, wird hier zwar oft in Frage gestellt bzw. Vermutungen darüber angestellt (seine Eltern geben verstärkten Impfdosen die Schuld), aber die Lösung oder weitere mögliche Begründungen bleiben hier außen vor. Das fand ich etwas unbefriedigend, da hier zwar das Thema Impfen angeprangert wird, aber keine sachliche Aufklärung stattfindet. Auf mich machte das den Eindruck, als wolle die Autorin dem Leser das Thema Impfen bewusst negativ darstellen. Ansonsten hätte ich mir gewünscht, diese Vermutung wäre erst gar nicht erwähnt worden.
Außer Henrys Autismus geht es aber in diesem Roman auch um die üblichen High School Themen wie Erwachsen werden, Verantwortung übernehmen und "Klassiker" wie Mobbing und Suizid. Das fand ich alles etwas zu viel des Guten, auch wenn letztendlich alle Handlungsstränge sinnvoll miteinander verflochten wurden, so hatte ich den Eindruck, das Drehbuch eines klassischen amerikanischen Highschool-Films zu lesen, bei dem das Thema Autismus im Vordergrund steht.
Daher empfehle ich das Buch für alle, die Bücher der Art mögen, bei denen man vieles vorausschauen kann und das erwartete Happy End eintritt. Meinen Geschmack hat es nicht ganz getroffen, weil es mir teilweise etwas zu kitschig war.

"Und dann sprachen er und Ella über das Stück. Die Schöne und das Biest. Henry musste viel beten, als die Leute das Biest töten wollten, weil das Biest innerlich so freundlich war. Es sah gemein aus, aber sein Herz war gütig und sanft. Und nicht alle sahen so aus, wie sie waren. Manche Leute waren wie Gaston, der äußerlich nett aussah, aber innerlich verschlossen und traurig war. Manche Kinder in der Schule waren so. Viele von ihnen trugen Footballtrikots. Sie waren wie Gaston. Aber das Biest ist ein guter Mensch. Wenn Henry mitspielen könnte, würde er das Biest sein wollen und genauso freundlich. Aber vielleicht wäre er auch lieber der Prinz am Ende. Denn der Prinz sah so aus, wie das Biest innerlich war. Manchmal konnten die Menschen das Innere einer Person nur sehen, wenn sie das Äußere mochten. Weil sie noch nicht gelernt hatten, die Musik zu hören." (S. 113)

Diese Botschaft hat mir besonders gut gefallen, dass man hinter die Kulissen, hinter die Fassade eines Menschen schauen sollte, denn es könnte sich ein Prinz dahinter verbergen. Und dass Musik der Schlüssel für eine gemeinschaftliche Kommunikation sein kann. Die Welt aus Henrys Augen zu verfolgen, war zudem eine erfrischend andere Perspektive.
 

Fazit:

Highschool-Roman mit Schwerpunkten Autismus und Freundschaft, schön und flüssig geschrieben, leider manchmal etwas kitschig und vorhersehbar.