Rezension

Mutig, erschütternd und bewegend

Wir sehen uns am Meer - Dorit Rabinyan

Wir sehen uns am Meer
von Dorit Rabinyan

Bewertet mit 4.5 Sternen

Klappentext:

Die Tel Aviverin Liat lernt in New York den Maler Chilmi kennen, der aus Ramallah stammt. Die beiden verlieben sich, wohl wissend, dass ihre Liebe keine Zukunft hat: Wenn die Zeit in New York vorbei ist, wird auch die Beziehung, die eigentlich nicht sein darf, zu Ende gehen. Doch Liat und Chilmi haben die Rechnung ohne ihre Gefühle gemacht …

 

Meinung:

Als Liat in New York den Palästinenser Chilmi kennen lernt, funkt es direkt zwischen den beiden. Doch sie sind in unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen, wenn auch nicht weit voneinander entfernt. Und wo Chilmi offen und optimistisch ist, ist Liat verbohrt und voreingenommen. Die Liebe zwischen ihnen ist groß, doch Liat hat Angst vor den Reaktionen ihrer Familie. Und so sagt sie sich, dass es ja nur eine Affäre bis zum Mai ist und sie wieder zurück nach Israel kehrt. Doch kann sie so einfach vor ihren Gefühlen davon laufen?

Eigentlich wollte ich nur mal kurz in das Buch hineinschauen, letztendlich musste ich es dann aber direkt durchlesen, so sehr nahm mich die Geschichte für sich ein. Dabei ist Liat nicht gerade die sympathischste Protagonistin, denn sie ist ziemlich engstirnig und streitsüchtig, stellenweise extrem egoistisch und manchmal richtig gemein zu ihren Mitmenschen, insbesondere Chilmi. Chilmi dagegen bleibt im Vergleich zu Liat ein wenig blasser, ist dafür aber sehr sympathischer. Leider ist Chilmi ein ziemlicher Träumer und kreativer Künstler, was einen scharfen Kontrast zu Liat bildet und für die Spannung im Buch enorm wichtig ist. Hauptsächlich liegt der Fokus auf diesen beiden, so dass die Nebenfiguren manchmal eher wie Randerscheinungen wirken. Sie geben den beiden den passenden Rahmen, ohne selber zu viel Tiefe aufzuweisen. Da Liat und Chilmi aber so schön miteinander funktionieren, fällt das nicht allzu sehr ins Gewicht.

Dorit Rabinyan hat einen sehr einnehmenden, flüssigen Schreibstil, den Helene Seidler fesselnd übersetzt hat. Dass dieses Buch in Israel von der Schulbuchliste genommen wurde wundert mich nach Beenden des Buches nicht, denn die Autorin wirft einen scharfen, ungeschönten und kritischen Blick auf die israelische Gesellschaft, ihre Vorstellungen und Einstellungen. Zwar kann das Buch den Nahost-Konflikt nicht lösen, einen Denkanstoß aber allemal liefern. Mir hat die Thematik richtig gut gefallen und für einigen Diskussionsstoff gesorgt. Der Roman hat mich erschüttert und bewegt.
Liat erzählt ihre Geschichte hier in der Ich-Perspektive. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, sind nicht zu lang und die Spannung kann bis zum Ende hin gehalten werden.

 

Fazit:

Wir sehen uns am Meer hat mich gefesselt und erschüttert. Nach dem Beenden des Buches musste ich die Geschichte erst einmal sacken lassen. Nichts destotrotz hat die Autorin hier eine mutige Entscheidung bei ihren Charakteren gewählt und wird mit ihrer Geschichte viel Diskussionsstoff liefern.

Von mir gibt es 4,5 von 5 Punkten.