Rezension

Mutig und frisch

Das Angeln von Piranhas - Tina Ger

Das Angeln von Piranhas
von Tina Ger

Bewertet mit 4.5 Sternen

Berlin:
Luca lebt ein beschauliches Leben mit Frau und Kinder. Alles wie es sich gehört und sein soll. Bis Yara auftaucht und sich monatelang verweigert. Bis letzten Freitag. Letzten Freitag war alles anders und Luca bekommt seine Yara für eine Nacht. 
Und nun? Yara verschwindet und hinterlässt einen ratlosen Luca mit einer immerzu enttäuschten Frau und erwartungsvollen Kindern. Darauf will er jetzt, da er das Licht gesehen hat, nicht sitzen bleiben und sucht Yara. Er ist bereit alles für sie aufzugeben, aber auch sich selbst? 
Das Angeln von Piranhas' wurde 2018 außerdem auf die Blogbuster-Longlist der Frankfurter Buchmesse gewählt. 

Meine Meinung: 
2013 durfte ich Schicksalsspieler von Tina Janik lesen, ein Buch das zeigte wie Menschen die Liebe verkomplizieren. Wie man vor dem Schicksal flüchtet. In ihrem neuen Roman rennt Luca mit offenen Armen der Liebe und seinem erwählten Schicksal entgegen. 
Die Autorin spielt mit Szenarien, dem was wäre wenn, ein Mensch der einfach seinen Impulsen folgt. Die ganzen Richtlinien der Gesellschaft hinter sich lassend, "Du darfst nicht mit Yara schlafen, du bist verheiratet", "Du kannst jetzt nicht einfach nach Brasilien fahren, denk an deine Familie und Job"..., tut Luca einfach mal. Und auf der Suche nach Yara verliert er das hart erarbeitete Bildnis seiner Selbst. 
Yara ist von Beginn bis Schluss zwar im Buch vorhanden, aber im Grunde nur eine Vorstellung. Sie gibt Luca Gründe und Sehnsüchte. Gründe zum verlassen seiner Familie und den Wunsch nach Freiheit. Sie kann für ihn alles sein. Und als Leser trieb mich die Hoffnung auf ein weiteres treffen der beiden zum lesen an. Ich habe darauf gewartet, dass er erkennt, dass er die eigentliche Yara nämlich gar nicht kennt. 
Luca ist nicht sympathisch. Er ist sogar ein Arschloch. Die Thematik der Affäre stieß mir übel auf, und der Gedanke an die arme Johanna betrübt mich noch jetzt. Warum sie ihn liebt erschliesst sich mir bis zum Schluss nicht. Sie wirft ihm vor nicht Erwachsen zu sein, nachdem er sein Leiden bei ihr ausschüttet. Das empfand ich ebenfalls so. Selbstzerstörerisch ist er ausserdem. Prinzipiell finde ich Antihelden spannend, es fasziniert mich zu sehen ob ich eine Entscheidung nachempfinden kann. Bei Luca konnte ich die Obsession und sein Verhalten in den meisten Situationen nicht nachvollziehen. Sein Gefühl des Gefangenseins in seiner Familie und die Kapitulation hingegen schon. 
Tina Ger versetzt den Roman im zweiten Abschnitt nach Brasilien, wo sie auch viel Zeit verbrachte. Das Buch ist eingeteilt in 3 Teile, wobei sich der erste komplett in Berlin befindet. Dieser und der letzte Abschnitt gefielen mir persönlich am besten. Das sind die zwei Stränge die Liniear verlaufen. Der Mittelteil, Luca's Ankunft in Brasilien und seine Suche nach Yara und der Wahrheit, werden in durchgemixten Episoden erzählt. Da recht viel passiert und eine unglaubliche Menge an Namen und Informationen vorkommen, war ich froh, dass Teil 3 dann wieder chronologisch erzählt wurde. 

Fand ich die Mitte etwas ermüdet, man muss ich halt konzentrieren, hat das Ende mich wieder voll überzeugt. Für mich ein herrlich gelungener Abschluss von Luca's Suche nach Frieden. Das Buch strotz nur so von erfrischenden Ideen, menschlichen Abgründen und einer Spannung, die mich dazu verleitete, das Buch kaum aus der Hand zu legen. Als Vielleser kann ich hier nur sagen: So eine Geschichte hatte ich zum ersten Mal.
Ich würde es empfehlen für Fans von Christos Tsiolkas und Hanya Yanagihara.
 "Das Angeln von Piranhas" ist im fineBooks Verlag erschienen ein Verlag der es sich zum Ziel gesetzt hat, "feinste" Bücher zu entwickeln und zu veröffentlichen, unter anderem "Mutige, unangepasste Literatur". Und wie sie selber sagt:  "Einen Wohlfühlleser würde die Lektüre sicherlich nicht glücklich machen." - Zitat aus einem Interview mit Uwe Kalkowski @Kaffeekaussitzer