Rezension

Mutter sein - nur nicht hier

Die Mutterglück-Lüge - Sarah Fischer

Die Mutterglück-Lüge
von Sarah Fischer

Ermutigt durch die Debatte um #regrettingmotherhood hat Sarah Fischer ihre Geschichte aufgeschrieben – nun erschienen als Die Mutterglücklüge bei Ludwig mit 238 Seiten.

Sarah ist eigentlich ganz zufrieden. Sie ist erfolgreich im Beruf, hat einen tollen Freund und dann verkündet der Schwangerschaftstest, dass es Zuwachs gibt. „Nur kein Trara“, denkt sie sich und glaubt, Mutterschaft sei auch kein großes Ding. Dann wird sie mit Floskeln und gesellschaftlichen Tabus konfrontiert, mit KiTa-Platzmangel und Geldnot, mit beruflichen Rückschritten und Spielplatzmüttern. Und Sarah wird unglücklich, denkt sich, dass es vielleicht ein Fehler war, ein Kind zu bekommen.

Sarah Fischer ist geübt im Schreiben. Sie ist Vortragsreferentin über das Thema Mongolei, hat Reiseführer geschrieben und fürs Fernsehen gearbeitet. Mit einer Co-Autorin (Shirley Michaela Seul) an ihrer Seite hat sie nun von ihrer Mutterschaft erzählt und warum sie damit unglücklich ist. Groß belegt und belehrt sie dabei immer wieder: Sie liebt ihre Tochter, sie würde alles für sie tun, tut es im Grunde ja auch, und dieses Buch schreibt sie auch dafür, dass ihre Tochter sich später nicht mehr rechtfertigen muss. Im Grunde ist das Buch nur das: Ein Aufbegehren dagegen, alles für das Kind tun zu müssen mit der Begründung, es für das Kind zu tun. Klingt paradox.

Vielleicht habe ich ihr deswegen nicht wirklich glauben können. Gerade weil die Autorin hier die Rolle der Erzählerin einnehmen will und ihre Erlebnisse in Bezug zur #regrettingmotherhood-Debatte setzt, glaube ich nicht, dass Sarah Fischer ihre Mutterschaft per se bereut. Sie gibt selbst zu, dass sie glücklich war und manchmal noch ist. Dass sie die Schwangerschaft genossen hat, die ersten Tage mit ihrer Tochter, die Glückseligkeit des Frischmutterseins.

Hier springt der Untertitel Warum ich lieber Vater geworden wäre ins Auge, denn Sarah Fischer leidet unter der gesellschaftlichen Vorstellung von Mutter, die sie gar nicht erfüllen will. Sie lässt sich unter Druck setzen und drückt gleich selbst noch einmal mehr dazu. Sie will alles leisten, 200%, voll arbeiten gehen, voll Mutter sein – und macht dann doch bei beiden Bereichen Abstriche, die sie nicht machen will. Sie ist nicht in die Mutterfalle geraten, sondern in die Vereinbarkeitsfalle.

Tatsächlich geht es wenig um das Muttersein an sich. Es geht nicht um Müdigkeit und Kinderkrankheiten, Elternabende oder Trotzattacken. Nicht einmal darum, dass der Mann sich nicht ums Kind kümmert, denn Sarah Fischer hat einen Mann, der nach dem Heimkommen sofort zum Kind rennt und mitspielt. Es geht vielmehr um die Trägheit, die das Muttersein mit sich bringt. Das Gefühl immer dasselbe zu tun, ohne dass sich etwas ändert, der persönliche Stillstand, während um sie herum alles weitergeht. Die tiefe Tristesse beim fünfzigsten Schaukeln des Kindes noch „hui“ zu rufen. Und den permanenten Blick von außen, der mehr will, kritisiert und nie zufrieden gestellt werden kann.

Vielleicht hätte Frau Fischer in einem anderen Land eine sehr glückliche Mutter werden können. Eine, die sich nicht zwischen „Ich will beweisen, dass ich alles kann“ und „Ich muss mich dem Druck beugen“ zerreißt. Insofern ist dieses Buch weniger persönliches Schicksal einer mit der Mutterschaft an sich unglücklichen Frau, die die Zeit zurückdrehen will, sondern vielmehr das Aufzeigen eines gesellschaftlichen Ungleichgewichts, eines nicht zu erfüllenden Ideals. Unter dem Deckmantel „Ich tue das für meine Tochter“ wird dann aber auch diese Aussage heruntergefahren. Dabei sollte die Autorin wenigstens den Mut haben zu sagen: Ich will, dass sich etwas für mich ändert, ich schreibe das für mich.