Rezension

Muttergehäuse – ein intensives Leseerlebnis

Muttergehäuse - Gertraud Klemm

Muttergehäuse
von Gertraud Klemm

Inhalt
Eine Frau versucht erfolglos schwanger zu werden. In der Gruppe von Bekannten und Freunden fühlen sie und ihr Mann sich für ihr Versagen an den Pranger gestellt und auch in der Ehe geht es hauptsächlich um das eine Thema, über das jedoch möglichst nicht gesprochen werden sollte. Als der Wunsch ein afrikanisches Kind zu adoptieren in den beiden aufkeimt, werden sie vor neue Herausforderungen gestellt. Nicht nur, müssen etliche bürokratische Hindernisse bewältigt werden, reagiert auch die Umwelt darüber mit Unglauben und Ablehnung.

Meine Meinung
"Muttergehäuse" ist liebevoll gestaltet und mit Illustrationen versehen, die an Schneckenhäuser erinnern. Doch die bunten Farben auf dem Cover, die den Leser dazu verleiten, den Roman gerne in die Hand zu nehmen, sollten nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich hier um ein Leseerlebnis der ganz besonderen Art handelt. Dies sei bitte nicht falsch und schon mal gar nicht negativ zu verstehen, da ich ganz im Gegenteil nur selten eine so intensive Geschichte gelesen habe, wie es bei "Muttergehäuse" der Fall war.

Es geht um eine Frau, deren größter Wunsch ist ein Kind zu bekommen. Leider bleibt dieser unerfüllt. Aber nicht nur durch dies, wird eine Entfremdung ihrer Freundinnen – die bereits Mütter sind - immer deutlicher. Auch in der Ehe wird es schwieriger die liebevolle Beziehung aufrecht zu erhalten. Bis sich der Gedanke einer Adoption immer mehr konkretisiert und neue Hürden genommen werden wollen. Dies alles wird aus der Sicht der Ich-Erzählerin beschrieben, die uns das Gefühl gibt ein Teil ihrer selbst zu sein. Der in die Kapitel "Mutter", "Papier" und "Kind" unterteilte Roman, wird immer wieder durch Beschreibungen von Träumen unterbrochen, die aufzeigen, wie stark die Frau sich auch Unterbewusst mit dem Wunsch Mutter zu werden beschäftigt.

Man leidet mit der Frau, die über den gesamten Verlauf der Geschichte namenlos bleibt und sinnbildlich für so viele Frauen steht, denen der Kinderwunsch verwehrt bleibt. Gertraud Klemm gelingt es nichts zu verklären und sehr ehrlich die Gefühls- und Gedankenwelt wiederzugeben. So realistisch, dass man – gerade als Frau – nicht anders kann, als wechselweise Wut, Traurigkeit, Resignation oder auch Enttäuschung mit ihr zu teilen.

Und so findet die Autorin auch für die Adoption passende Worte, die mich haben innehalten lassen, weil sie in wenigen Sätzen die Kernaussage wiedergeben:

Es ist nicht dasselbe. Es ist nicht wie schwanger sein. Es ist wider die Natur. Alle haben Zweifel, weil die Auslandsadoption nicht die Norm ist. Die Norm ist: Mann und Frau machen ein Kind, das nach neun Monaten gesund schlüpft und von Eltern, die unfehlbar sind, liebevoll und ordentlich aufgezogen wird (S. 86)

Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass die Frau auch nach der Adoption unglücklich ist und wiederum mit ihrem Leben hadert. Zu groß sind die Widerstände, auf die sie mit dem Kind stößt, welches schon auf Grund der Hautfarbe als das nicht ihre erkennbar ist. Gertraud Klemm hält mit ihrer Geschichte der Gesellschaft einen Spiegel vor und ich habe mich so manches Mal gefragt, ob es wirklich so schlimm ist. Ob wir Menschen wirklich so miteinander umgehen? Und ob wir nur das für ok befinden, was in unser kleines aber feines Raster passt. Die Antwort darauf mag jeder Leser selber finden.

Fazit
"Muttergehäuse" ist ein einfühlsames, nachdenklich stimmendes und intensives Leseerlebnis über den Wunsch, eine Familie mit Kind zu haben und den Schwierigkeiten die dies mit sich bringt, wenn der Körper diesen Wunsch verwehrt. Absolute Lese-Empfehlung!