Rezension

Mysteriöses, spannendes Debüt

Der Brief
von Carolin Hagebölling

Bewertet mit 4 Sternen

Ein spannendes, interessantes Debüt, das vor allem mit seinem mysteriösen Plot und seiner dichten, stimmungsvollen Atmosphäre überzeugen kann. Stellenweise hätte ich mir allerdings etwas mehr Tiefe gewünscht.

* Spoilerfreie Rezension! *

~ Ein spannendes, interessantes Debüt, das vor allem mit seinem  mysteriösen Plot und seiner dichten, stimmungsvollen Atmosphäre überzeugen kann. Stellenweise hätte ich mir allerdings etwas mehr Tiefe gewünscht. ~

Inhalt

Eines Tages erhält Marie, Anfang dreißig, einen mysteriösen Brief. Er wurde von einer alten Schulfreundin abgeschickt und ergibt keinen Sinn, weil er von Dingen spricht, die in Maries Leben nie passiert sind. Verwirrt und neugierig macht sich Marie auf die Suche nach Wahrheit…

Informationen

Erzählstil: Ich-Erzähler, Präteritum;
Perspektive: aus einer (weiblichen) Perspektive - Marie
Kapitellänge: eher kurz (6 bis 10 Seiten, groß geschrieben)
Für Tierliebhaber:
Werden Tiere im Buch gequält? - Nein.
Sterben Tiere im Buch? - Nein.

Meine Meinung

Einstieg

Der Einstieg ins Buch fällt wunderbar leicht. Schon nach wenigen Sätzen rätselt man mit Marie mit und befindet sich bereits mitten im Geschehen. Ein Lob gibt es außerdem für das hübsche Buchdesign (Cover und Verzierungen am Kapitelanfang) und die angenehm große Schrift.

Schreibstil

Der Schreibstil ist angenehm, flüssig und lässt sich sehr schnell lesen. So rast man förmlich durch das Buch. Vor allem am Beginn war mir der Schreibstil jedoch zu wenig anspruchsvoll und detailliert. Meiner Meinung nach gab es hier zu häufig Zweiwortsätze, die die Geschichte oberflächlich wirken ließen. Im Laufe des Buches wurde der Schreibstil aber ein bisschen komplexer (vielleicht weil es mehr zu beschreiben gab) und somit besser und mitreißender.

"Es war der 26. Mai, als ich den Brief bekam. Es war einer dieser Tage, die sich nicht entscheiden können, ob sie der Sonne eine Chance geben wollen. Es war der Tag, der mein Leben auf den Kopf stellte." Seite 7

Personen

Die Personen werden auf den wenigen Seiten generell gut ausgearbeitet, sie haben Schwächen, Stärken und Geheimnisse, und die meisten von ihnen sind sympathisch. Lediglich Johanna blieb mir immer fremd, sie wirkte auf mich leer und blass. Fast alle anderen konnten mich aber überzeugen, vor allem eine gewisse sehr charmante männliche Person (ihr wisst bestimmt, wen ich meine).

Marie war mir als Hauptperson sehr sympathisch, ich habe es genossen, mit ihr mitzufiebern und mitzurätseln. Sie ist keineswegs perfekt, begeht Fehler, steht aber wenigstens dazu. Ein normaler fehlbarer Mensch also, das gefällt mir.

Spannung

Durch die mysteriöse Grundstimmung im Buch, die kurzen Kapitel und den einfachen Schreibstil fliegt man förmlich durch das Buch, die Seiten werden so schnell weniger, dass es einen selbst überrascht, wenn man auf einmal das Ende erreicht hat. Die Geschichte kann außerdem mit einigen unerwarteten Entwicklungen aufwarten. Mich konnte der Spannungsbogen überzeugen.

Stimmung

Die gewählten Schauplätze sind interessant bis ungewöhnlich, und bei allen schafft die Autorin es, die Stimmungen vor Ort gekonnt einzufangen und dem Leser lebendig zu vermitteln. Vor allem die Stelle in den Katakomben wird mir hier im Gedächtnis bleiben, diese fand ich wirklich großartig. Überhaupt kreiert die Autorin immer wieder eine sehr dichte Atmosphäre, das Kopfkino läuft auf Hochtouren und die Worte erwachen mühelos zum Leben.

Idee und Themen

Die Idee hat mir von Anfang an gefallen. Die Geschichte ist mehr als mysteriös, ununterbrochen versucht man als Leser/in hinter das Geheimnis um die Briefe zu kommen. Ständig stellt man neue Theorien auf und schon bald verwirft man sie wieder. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, Marie auf ihrer Reise zu begleiten. Und auch wenn das Buch durch die relativ große Schrift weniger Inhalt aufweist als gedacht, haben wir hier trotzdem eine runde Geschichte vor uns, die selten sogar ein bisschen in die Tiefe gehen kann.

Prinzipiell verläuft die Handlung jedoch relativ linear und ist nicht allzu komplex, so eignet sich dieser kurzweilige Roman besonders auch für Wenigleser und Wiedereinsteiger, die bei Schachtelsätzen und verzweigten Handlungssträngen aufgeben würden. Für solche Menschen ist dieses Buch genau richtig - wenn ihr also auf der Suche nach einem Buchgeschenk für so jemanden seid (ich denke, dass das Buch Frauen eher anspricht) – ihr habt es soeben gefunden.

Ich selbst hätte mir insgesamt etwas mehr Tiefe (auch, was die Schilderung der Emotionen betrifft) gewünscht, manche Szenen wurden mir zudem zu schnell abgehandelt, hier hätte man auf jeden Fall noch ausbauen können - das hätte den Roman wirklich perfekt gemacht. Hierfür und für den zu anspruchslosen Schreibstil am Anfang gibt es einen Stern Abzug.

Ende

Zum Ende möchte ich mich (spoilerfrei natürlich) auch noch äußern: Vielfach wurde kritisiert, dass es zu offen sei. Auch ich hatte nach dem Ende erstmal drei große Fragezeichen im Kopf. Doch ich finde es fast schon genial, wie schlau die Autorin das Buch trotz aller Offenheit zu einem Ende bringt. Es ist auf jeden Fall ein Ende, das jenen gefallen wird, die gerne noch nach Abschluss eines Buches grübeln und daran denken. Ich fand es sehr gelungen.

Mein Fazit

Ein spannendes, interessantes Debüt, das vor allem mit seinem  mysteriösen Plot und seiner dichten, stimmungsvollen Atmosphäre überzeugen kann. Stellenweise hätte ich mir allerdings etwas mehr Tiefe gewünscht.

Meine Empfehlung: Dieser kurzweilige Roman eignet sich besonders auch für Wenigleser und Wiedereinsteiger, die bei Schachtelsätzen und verzweigten Handlungssträngen aufgeben würden. Leser, die offene Ende schätzen, werden hier ebenfalls auf ihre Kosten kommen.

Bewertung:

Idee: 5 Sterne
Ausführung: 4 Sterne
Schreibstil: 3 - 4 Sterne
Personen: 4 Sterne
Hauptperson: 4,5 Sterne
Spannung: 4 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀❀

Dieses Buch erhält von mir vier zufriedene Sterne!