Rezension

Mystisch, atemberaubend, wunderschön

Shades of Nature - Heinrich Van den Berg, Philip van den Berg

Shades of Nature
von Heinrich Van den Berg Philip van den Berg

Schwarz-weiß Fotografien sind etwas ganz Besonderes. Sie passen nicht zu jedem Foto, aber wenn das Motiv und der Kontrast stimmen, dann sind sie oft viel stimmungsvoller als ihr farbiges Gegenstück. Ihnen wohnt ein gewisser Zauber inne, etwas Mystisches, Geheimnisvolles. Vielleicht liegt es daran, dass der Himmel wie in tiefster Nacht wirkt und die Nacht noch immer etwas Mysteriöses an sich hat. Vielleicht liegt es daran, dass der Fokus plötzlich auf Strukturen und Formen fällt, die bei einem Farbfoto nicht aufgefallen wären. Vielleicht, weil eingefrorere Dynamik in s/w-Bilder irgendwie noch dramatischer wirkt. Was auch immer es ist, die Bilder in Shades of Nature haben es, diesen Zauber, dieses Mystische.

Shades of Nature - Wildlife in Schwarz-weiß ist eine Kollektion von eindrucksvoller Fotos und kurzen, philosophierenden Gedanken zu den Themen Warnehmung, Aufmerksamkeit, Beziehung, Persönlichkeit, Motivation, Emotion und Kenntnis. Auch die Fotos sind alle beschriftet, aber statt bloßen Fakten finden sich auch hier kleine Textstücke, die mir manches Mal einen Schauer über den Rücken jagen. So gibt es beispielsweise eine Doppelseite mit einer Nahaufnahme einer Löwennase. Der Blickwinkel wurde so gewählt, dass man ich mir vorstelle, der Löwe hätte mich gejagt, bis ich hinfalle, ich drehe mich auf den Rücken, starre ihn an, und er kommt näher, immer näher an mein Gesicht, bis ich nur noch seine zuckende Nase sehen kann. Und darunter steht "[...] der süßeste Duft für Löwen ist der moschusartige Geruch der Panik." (21). Wem stellen sich da nicht die Nackenhaare auf? 

In manchen Texten geht es mehr um das Verhalten der Tiere, in anderen werden Impalas humanisiert und die Mütter beruhigen ihre verängstigen Jungen damit, dass der Leopard nur ein Schreckgespenst, eine Krankheit, eine Metapher ist. Ein Monster, das nicht existiert. Mich fasziniert, wie dieser Bildband mit Fakten und Prosa spielt, wie er genau die richtigen Worte für die Fotos findet, wie die Bilder durch die Texte noch eine ganz neue Dimension annehmen. Wie die Texte es schaffen, den eindrucksvollen Naturfotos plötzlich eine nachdenkliche, philosophische, menschliche Note zu geben. Wie der Band es schafft, dass man beim Betrachten einer Löwenmutter mit ihrem Jungen plötzlich über die eigene Kindheit nachdenkt. 

Am Ende des Bildbandes gibt es eine Art Register names "Hinter den Bildern", in dem alle Fotos noch einmal kleiner aufgelistet sind, vier mal vier pro Seite, mit einem etwas weniger philosophierenden und dafür informativerem Text zu den Motiven. Weniger Metaphern, mehr Fakten, was auch spannend ist. Vor allem bei den Makroaufnahmen von Fellen, Färbungen und Zeichnungen ist es schön, dass aufgelöst wird, was zu welchem Tier gehört. Nicht alles habe ich auf Anhieb erkennen können. 

Shades of Nature ist ein ganz besonderer Bildband. Es gibt viele Fotobildbände mit dem Thema Wildlife, aber ich kenne keinen, der eindrucksvolle Tierfotos durchgängig im schwarz-weiß Stil wiedergibt und diese durch kleine Texte ergänzen, die die Fantasie beflügeln und den Fotos noch viel mehr Tiefe verleihen. 
 

(c) Books and Biscuit