Rezension

Mythen und Legende, die lebendig werden.

Gemini - Der goldene Apfel - Eric Nylund

Gemini - Der goldene Apfel
von Eric Nylund

Bewertet mit 4.5 Sternen

Was hat mir an dem Buch gefallen?

Mit „Der goldene Apfel“ hat Eric Nylund eine außergewöhnliche Geschichte geschaffen. Sie hebt sich von allem ab, was ich bisher gelesen habe.  Zu beschreiben, was diese Geschichte so besonders macht, ist schwer, ich werde es anhand von kurzen „Kategorien“ aber versuchen.

Schreibstil

Eric Nylund hat eine wunderbare Art zu schreiben. Er erweckt Szenen durch detaillierte Bilder zum Leben, wie es kaum ein anderer kann.  Das bezieht sich sowohl auf Beschreibungen als auch auf die Dialoge. Vor allem die Passagen, die sich um Eliots Geigenspiel und Fionas Pralinen drehen, sind so genau beschrieben, dass man die Musik fast hören und die Schokolade fast schmecken kann.

Story

Die Story in „Der goldene Apfel“ ist wirklich außergewöhnlich. Eric Nylund hat es geschafft, neue und alte Mythologie so miteinander zu verweben, dass sich daraus ein einzigartiges Muster ergibt. Griechische und Neue Mythen, Bibelvorstellungen und europäische Märchen machen die Story interessant und abwechslungsreich. Es kommen sehr viele neue Ideen vor, die ich in dieser Art noch nirgendwo entdeckt habe. 
Die Quintessenz der Story kann man der Inhaltsangabe entnehmen (s. oben.) Das Wichtigste, was ich noch sagen kann, ohne zu viel zu verraten ist, dass  beide (verfeindete) Familien ein Interesse an den Post-Zwillingen haben. Um herauszufinden, zu welcher Familie sie eher gehören, müssen sie sich einigen Prüfungen unterziehen. Von der Seite der Mutter (Die Liga der Unsterblichen) müssen sie 3 Heldenprüfungen überleben. Was Fiona und Eliot nicht wissen ist, dass auch die Familie des Vaters (Die Höllischen) sich einige „Herausforderungen“ überlegt hat. Sie werden also von 2 Seiten gleichzeitig geprüft, ohne es zu wissen…
Besonders spannend zu verfolgen ist die Verwandlung von Fiona und Eliot, die sie im Laufe von nur wenigen Tagen durchleben. Von eher naiven und gehorsamen Kindern, werden sie zu jungen Erwachsenen, die eine eigene Meinung und eigene Standpunkte entwickeln, für die sie auch, trotz aller Konsequenzen, eintreten. Sehr geprägt werden sie vor allem dadurch, dass sie töten müssen, um zu überleben…

Charaktere

Mit den beiden Hauptcharakteren Fiona und Eliot Post kann man von Beginn an mitfühlen, auch wenn sie eine ganz andere Erziehung genossen haben als… nun ja, alle die man kennt ;) Sie haben die 106 Regeln ihrer Großmutter, werden zu Hause von ihr unterrichtet und dürfen nur Bücher lesen, die „sinnvolles“ Wissen enthalten. Märchen, Mythen und ähnliches sind verboten… Wo sie doch eine so große Rolle spielen werden…
Neben Fiona und Elliot  gibt es noch viele andere Charaktere, so dass man auch schon mal den Überblick verlieren kann. Die wichtigsten werden nach und nach immer genauer charakterisiert, so dass man auch sie in gewisser Weise „verstehen“ kann. Von mitfühlen kann nicht immer die Rede sein, denn manche Charaktere sind durch und durch unsympathisch (aber auch hoch interessant)!
Durch den häufigen Personenwechsel, der beide Familien abdeckt, bleibt man als Leser immer auf dem Laufenden. Man ist sozusagen „allwissend“ und ahnt die nächsten Ereignisse voraus. Dadurch bleibt „Der goldene Apfel“ durchweg spannend. (Ach ja, was es mit dem goldenen Apfel auf sich hat, erfährt man übrigens erst in Kapitel 63 ;) )
Insgesamt kann ich sagen, dass die wichtigsten Charaktere sehr gut beschrieben sind. Die unterschiedlichen Herkünfte, Moralvorstellungen und sonstige Charaktereigenschaften sind deutlich herauszulesen.

Besonderheiten

Ja, Herr Nylund hat sich für sein Buch etwas ganz Besonderes ausgedacht, was am Anfang ziemlich verwirrend ist. Zu Beginn gibt es eine Anmerkung des Herausgebers, die eine gewisse Familie Post nennt und auf die sich das Buch allem Anschein nach bezieht. Nachzulesen in der Leseprobe.
Es wird darauf hingewiesen, dass sich Anmerkungen zu „relevanten Quellen“ im Buch befinden. Gekennzeichnet mit einem *.
Natürlich hat es mich interessiert, auf welche Familie sich diese unglaubliche Geschichte bezieht und habe im Internet mal ein bisschen rumgesucht. Mit folgendem Ergebnis: Ich habe nichts gefunden…
Was also ist des Rätsels Lösung? Was hat es mit dieser Anmerkung auf sich? Die Antwort bekam ich dann vom Penhaligon Verlag:
„[…]Die Familie Post gibt es nicht, aber der Autor möchte die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verwischen, indem er mit Anhang, Fußnoten und Vorwort so tut, als ob ... Und das macht er unserer Meinung nach wirklich äußerst geschickt. […].“
Meiner Meinung nach auch. Die Anmerkungen sind wirklich so gut gemacht, als wären sie echt. Man darf sich also auf ein besonderes Leseerlebnis freuen.

Was hat mir an dem Buch nicht so gut gefallen?

Es gibt nur einen kleinen Kritikpunkt. 
1. Es dauert ziemlich lange, bis man hinter die Geheimnisse der Familien kommt und die Story wirklich an Fahrt aufnimmt. Durch den Klappentext und viele kleine Hinweise und Anspielungen kennt man zwar schon die Richtung, in die es sich entwickeln wird, dennoch hat mir eine richtige „Aufklärung“ gefehlt. Das wird vom Rest aber wieder „ausgebügelt“.

Fazit

„Der goldene Apfel“ bietet ein wirklich außergewöhnliches Leseerlebnis. Durch Eric Nylunds einzigartige Ideen und die genaue Recherche was Mythen und Legenden angeht, gibt es so viel, dass man entdecken und bestaunen kann. Wer Lust auf etwas neues, anderes uns spannendes hat (und auch etwas Gewalt vertragen kann), der ist bei „Der goldene Apfel“ genau richtig.