Rezension

Nach dem ersten Viertel konnte es mich doch noch für sich gewinnen

Cheeky Room Mate - Claire Kingsley

Cheeky Room Mate
von Claire Kingsley

Bewertet mit 4 Sternen

Ich glaube, ich habe noch nie ein Buch gelesen, was mich derart überrascht hat!

Der Klappentext klang für mich nach einer humorvollen, lockeren und leichten Geschichte. Was Nettes für zwischendurch quasi. Ich mag solche Geschichten enorm gerne zum Abschalten und habe mich auf sympathische Figuren und witzige Schlagabtausche gefreut.

Und dann war ich erstmal enttäuscht.

Ich kenne Band 1 nicht, wusste aber, dass es darin um einen Romanceautor und eine Buchbloggerin ging. In Band 2 finden wir dann seine Schwester Kendra, die - unter anderem seine - Lektorin ist. Zuerst wusste ich nicht so recht, was ich davon halten soll, merkt man doch recht früh, dass hier und da nicht mit Klischees gegeizt wird. Die Figuren agieren wie echte Menschen, die sich sicher sind, ihre Geschichte könne kein Liebesroman sein und irgendwie fand ich es in meiner anfänglichen Enttäuschung trotzdem ein wenig amüsant, auf welche Weise mit den Klischees gearbeitet werden.

Aber das war gar nicht der Grund für meine Enttäuschung. Was mich wirklich negativ gestimmt hatte, waren die Figuren - nicht die Klischees, mit denen die Autorin auf interessante und positive Weise spielt. Sowohl Weston, als auch Kendra, fand ich absolut furchtbar! Himmel, einer unsympathischer als der andere. Er ist aus Kendras Sicht ja ein total schrecklicher Mensch. Und warum? Weil er nicht mit seinem One-Night-Stand frühstücken will. Und sie? Sie läuft ja total hässlich und ungepflegt rum - weil sie zu Hause im Pyjama rumrennt. Wie schlimm, also wirklich! Das Buch eignet sich übrigens hervorragend für einen gemütlichen Nachmittag in Pyjamahosen (sofern man keinen Weston zuhause hat).

Lustigerweise konnte ich die Dinge, die sie am anderen kritisieren, nie nachvollziehen. Trotzdem boten beide genügend Stoff, um sie absolut nervig zu finden. Gerade Kendra fand ich am Anfang total doof, weil sie Westons ONS abfällig verurteilte und mir Slutshaming überhaupt nicht gefällt - witzigerweise bringt die Autorin im letzten Drittel eine Aussage, die genau das Gleiche aussagt - dass eine sexuell aktive Frau nichts Verwerfliches tut. Aber ich möchte hier auch gar nicht ewig darüber jammern wie doof die Figuren sind, sondern viel mehr davon schwärmen, wie mich das Buch dann doch noch überzeugen konnte!

In Kapitel 7, das sind etwa 22 - 23% im eBook - verändern sich die Figuren plötzlich. Sie ist nicht mehr die unausstehliche Zicke und er ist nicht mehr der arrogante Vollidiot, der das Bild vermittelt, Frauen im höheren Alter wären nur mit gemachten Brüsten schön - er ist übrigens Chirurg, was im Laufe des Romans tatsächlich interessanter wird. Und auch Mia fand ich deutlich angenehmer. Sie nimmt ein wenig die Rolle der besten Freundin von Kendra ein und gerade die Rolle habe ich im Romance Genre wirklich gefressen, weil das zu 99% unausstehliche Tanten sind.

Gerade Weston bekommt über das Buch hinweg aber eine tiefergehende Seite verliehen, mit der ich in der Form überhaupt nicht gerechnet hatte. Ich hatte wirklich keine hohen Erwartungen, weil ich bei humorvollen lockeren Romanzen nicht erwarte, dass sie mich emotional bewegen, aber hier musste ich am Ende tatsächlich ein kleines Tränchen verdrücken, weil ich die Figuren während des Lesens (und nach Kapitel 7, lol) so ins Herz geschlossen habe und mich der Verlauf einfach berührt hat.

Die Entwicklung, sowohl der Figuren, als auch der Geschichte, fand ich enorm angenehm und authentisch. Sie passiert nicht von jetzt auf gleich, sondern langsam und schleichend, was sie nicht unglaubwürdig erscheinen lässt. Nicht nur Kendra, Weston und deren gemeinsame Chemie mochte ich gerne, sondern auch Mia, Alex und Caleb. Vor allem seine Tochter Charlotte hat ein paar kurze, sehr niedliche Momente.

Durchzogen von Witz und Neckereien, kommen aber auch die leidenschaftlichen Szenen nicht zu kurz. Diese sind dabei gut in die Story eingebunden, ohne dabei too much zu wirken. Es gibt also nicht auf jeder zweiten Seiten alles erschütternden Sex und das hat mir wahnsinnig gut gefallen - auch wenn die Sexszenen alles andere als schlecht geschrieben sind. Zwischen all dem Prickeln bietet die Geschichte trotzdem genug Raum zum Lachen und Mitfühlen und ist dabei wirklich ausgewogen. Kein Anteil überwiegt zu stark, was dazu führte, dass das Lesen für mich ohne Längen auskam. Gerade nach Kapitel 7 konnte bzw. wollte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen und habe es in einem Rutsch durchgelesen. Nicht, weil die Handlung irgendwie außerordentlich besonders gewesen wäre, oder dieses Buch etwas mitbringt, was sich sonst nirgendwo bekommen könnte, sondern schlichtweg darum, weil mir die Figuren so sympathisch geworden sind, dass ich wissen wollte, wie es mit ihnen weiter geht. Es hat Spaß gemacht, Kendras und Westons Story zu begleiten und zu sehen, wie sie sich annähern, immer mehr über die Beiden zu erfahren und zu sehen, wohin ihr Weg sie führt. Gelangweilt habe ich mich dabei keine Sekunde, weil jede Szene ihre Daseinsberechtigung hat und ich gar nicht so wirklich bemerkt habe, wie schnell ich eigentlich durch die Geschichte flog. Die Floskel kennt man ja in Rezensionen, aber ich habe tatsächlich 4 Stunden am Stück gelesen und das mache ich aufgrund meiner Konzentrationsschwierigkeiten eigentlich echt selten. Man kann sich also nun vorstellen, wie gut mich Kendra und Weston unterhalten haben.

Kritik gibt es von mir lediglich für die ersten 7 Kapitel - die Figuren waren für mich wirklich grausam - für die Rechtschreibung. Mir sind ab und an doch einige Grammatik- und Tippfehler aufgefallen, die mich kurzzeitig aus dem Lesefluss rissen, was doch immer ein wenig ärgerlich ist. Ach ja. Und es gab eine Szene mit Mia, die mich verwirrte, weil sie davon sprach, dass sie eine Patientin hatte - aber soweit ich weiß, arbeitet sie nur als Buchbloggerin - also keine Ahnung, was ich da verpasst habe, oder ob da was schief lief.

Fazit: Leser, denen Band 1 gefiel, werden hier sicher wieder ihre Freude haben und auch "Quereinsteiger" (wie ich) finden in der Geschichte schnell zurecht. Die Figuren kennen sich untereinander zwar alle schon, aber es ist ein kleiner Kreis, über den man sich schnell einen Überblick verschafft hat. Man wird also überhaupt nicht überfordert, oder mit zig Namen zugeschmissen, wie es in anderen Büchern der Fall ist. Band 3 dreht sich dann um Calebs Geschichte und schließt die Handlung um die Lawson Geschwister damit ab.