Rezension

Nach der abschreckenden Leseprobe positiv überrascht - wieder eine schöne Geschichte!

Der Satellit - Kooky Rooster

Der Satellit
von Kooky Rooster

Bewertet mit 4 Sternen

Klappentext
Thomas und Sandra sind ein Paar, doch die traute Zweisamkeit will sich einfach nicht einstellen. Ein Satellit kreist um sie herum. Er heißt Max und statt ein eigenes Leben zu führen, ist der stille Zeitgenosse ständig zu Besuch und fährt sogar mit zu Familienfeiern. Etwas muss geschehen, denn Max’ ständige Präsenz stellt die Beziehung auf eine harte Probe. Sandra beschließt, den lästigen Dauergast mit ihrer besten Freundin Nicole zu verkuppeln. Doch da hat sie die Rechnung ohne Max gemacht. Der hat nämlich kein Interesse an der rassigen Schönheit, sondern ein Auge auf Thomas geworfen. Aber den besten Kumpel küsst man nicht. Zumindest nicht ungestraft.

Meine Meinung

Ich gestehe: Mit Lesen der Leseprobe war ich noch nicht überzeugt davon, dass ich Max‘ und Thomas‘ Geschichte lesen möchte. Thomas wirkte auf mich zu plump, ein bisschen wie ein Proll, der anderen Frauen hinterherglotzt, obwohl er ja eigentlich eine Freundin hat. Diesen Eindruck konnte ich in der Leseprobe nicht abschütteln und irgendwie verstärkte sein Name (sorry an alle Namensvetter!) dieses Bild auch noch. Ich wurde einfach nicht mit ihm warm und fühlte mich eher abgeschreckt als angefixt.

Als ich aber die ganzen guten Bewertungen las, kamen mir Zweifel. Kooky Roosters neuester Roman „Ziemlich verliebte Freunde“ hatte mir so gut gefallen, dass ich mir nach dem ebook sofort die Printversion zulegen wollte und es beschlossene Sache war, dass ich das Buch mit etwas zeitlichem Abstand noch einmal lesen würde – so begeistert war ich. Mir drängte sich die Frage auf: War ich einfach die einzige, die Thomas so negativ wahrnahm, und kamen daher die guten Bewertungen? Oder veränderte sich Thomas im Laufe des Buches zum Positiven? Langer Rede kurzer Sinn: Ich entschied mich, dem Buch eine Chance zu geben – und um es schon einmal vorwegzunehmen: Ich wurde nicht enttäuscht.
Nach der Leseprobe fragte ich mich, wie man aus der Ausgangssituation (Max gesteht Thomas seine Gefühle und kündigt ihm die Freundschaft, Thomas bleibt bei Sandra) eine schöne Liebesgeschichte zaubern kann, die nicht in Langeweile umschlägt. Die nächsten Seiten lieferten mir die Antwort: Indem der unglücklich Verliebte die langsam bröckelnde Beziehung zwischen Thomas und Sandra kitten soll und im Gegenzug einen Kuss pro Tag von seinem Angebeteten verlangt. Verdammt ungesund für Max‘ Seelenheil, wenn keinerlei Hoffnung für ihn besteht, dass Thomas seine Gefühle erwidern könnte, aber … nun ja, wenn eben doch Hoffnung besteht …  dann entstehen dabei ganz schnell ein paar prickelnde Momente und jede Menge Chaos.

Ich hatte unerwartet viel Spaß dabei, diesem (Gefühls-)Chaos – vor allem auf Seiten Thomas‘ – beizuwohnen und die Annäherungen zwischen den beiden mit ein bisschen Herzklopfen zu verfolgen. Es gibt viele heiße Szenen zwischen den beiden, aber mindestens genauso viele fürs Herz und zum Dahinschmelzen. Dass die Autorin die Balance zwischen sexueller Anziehung und tiefen Gefühlen mühelos beherrscht, wusste ich ja schon durch „Ziemlich verliebte Freunde“ und auch hier ist ihr dies wieder mit Bravour gelungen.
Neben den Annäherungen, dem Verlieben, den Erkenntnissen und Geständnissen wird auch das Hadern mit der eigenen (neu entdeckten) Sexualität in den Mittelpunkt gestellt und langsamer und authentischer behandelt, als ich das von anderen Büchern aus dem Genre gewohnt bin. Manche akzeptieren die neuen (eventuell sogar bisher schlummernden) Bedürfnisse sofort (z.B. „Him“ von Sarina Bowen und Elle Kennedy oder „Wie ein Kartenhaus im Sturm“ von Elenia Losian), andere wiederum tun sich damit ein bisschen schwerer (z.B. „Eisprinz und Herzbube“ von Elena Losian), aber den Kampf, den Thomas mit sich selbst ausficht, habe ich so noch nicht gelesen. Ich fand ihn nachvollziehbar und authentisch dargestellt.

Wobei ich ein wenig meine Probleme hatte – oder sagen wir mal: was mich etwas verwirrt hat –, war die Tatsache, dass Thomas am Anfang noch als absolut heterosexuell dargestellt wurde, um sich im Laufe des Buches dann als schwul zu outen. So, wie er am Anfang Nicole angegafft hat, hätte ich darauf gewettet, dass er bisexuell ist – oder hat er sich so in die Vorstellung, heterosexuell zu sein, hineingesteigert, dass er sich Nicoles Anziehungskraft nur eingebildet hat? Die Darstellung seiner Beziehung zu Sandra fand ich dahingehend – dass er eigentlich schwul ist – dann weitaus überzeugender.
Davon abgesehen hat mich Max‘ und Thomas‘ Geschichte sehr gut unterhalten. Das plumpe Erscheinungsbild von Thomas, das ich am Anfang aufgebaut hatte, konnte ich zwar nicht mehr ganz loswerden, aber er wirkte von Seite zu Seite (auch in Bezug auf seinen Charakter) doch etwas attraktiver, vor allem, wenn er seine Zuneigung für Max zeigte. Max war von Anfang an das Highlight des Buches (ähnlich wie Luke in „Ziemlich verliebte Freunde“): Thomas beschrieb ihn anfangs noch als unscheinbar, musste sein Bild von seinem besten Kumpel dann aber ganz schnell revidieren. Als Inbegriff von „Stille Wasser sind tief“ ist er es, der Thomas voller Selbstbewusstsein und Ruhe herausfordert und verführt, und der andererseits aber auch viel Schmerz und Qual mit sich herumschleppt, weil er seine Gefühle für Thomas so lange verbergen musste. Ich habe mit dem armen Kerl echt mitgelitten und mich dann für ihn gefreut, als er Thomas‘ sprichwörtliches Brett vor dem Kopf kaputtgehauen hat.

Die letzten Seiten lassen nichts zu wünschen übrig, da auch das Outing nicht unter den Tisch gekehrt wird. Kooky Rooster serviert uns zwei mögliche Szenarien, die in deutlichem Kontrast zueinander stehen und nochmal ordentlich Konfliktpotential bieten. Hier wurde sogar nochmal meinen Tränendrüsen etwas abverlangt – um mich am Ende aber mit einem schönen Happy End glücklich zurückzulassen.

 

Fazit

Kooky Rooster hat ihr Handwerk auch in diesem Buch wieder bewiesen. Durch den Kontrast zu „Ziemlich verliebte Freunde“, das ich kurz vorher gelesen habe, sind es aber „nur“ 4 Sterne. Dennoch gibt es eine klare Leseempfehlung!