Rezension

Nach-Hilfe-Unterricht

Die Deutschlehrerin - Judith W. Taschler

Die Deutschlehrerin
von Judith W. Taschler

Bewertet mit 3 Sternen

Mathildas große Liebe, Xaver, hat sie verlassen. Daraufhin erleidet die junge Frau einen Nervenzusammenbruch. Sechzehn Jahre später scheint sie endlich einen Platz im Leben gefunden zu haben: Mathilda ist Deutschlehrerin in einer anderen Stadt. Da taucht Xaver, inzwischen gefeierter Jugendbuchautor, plötzlich wieder auf. Die beiden rekapitulieren ihre gescheiterte Beziehung. Die Geburt von Xavers Sohn nur wenige Monate nach der Trennung und dessen Entführung werden zum Angelpunkt ihrer Begegnung. Ein raffiniertes und fesselndes Spiel um Liebe, Rache Schuld nimmt seinen Lauf.

Was der Klappentext nur halbrichtig beschreibt: Xaver taucht nicht plötzlich zufällig in Mathildas Dunstkreis auf; im Rahmen eines Schulprojekts, zu dem jeweils ein Autor einer Schule zugeteilt wird, um dort eine Schreibwerkstatt zu leiten, wird er an die Schule vermittelt, an der sie Deutsch unterrichtet. Durch Mails, die beide vor dem ersten Arbeitstreffen austauschen, erfährt er, dass es sich bei der M.K., die ihm als Verbindungslehrer genannt wird, um seine ehemalige Lebensgefährtin handelt.

Xaver darf ein richtiger Fiesling sein! Er schreibt seine Debüt-Trilogie mit Mathildas Hilfe, bringt sie aber allein unter seinem Namen heraus. Er hat während der 16 Jahre langen Beziehung zu ihr unzählige Affären nebenher: Er verweigert ihr das ersehnte Kind, und die Frau, wegen der er Mathilda Knall auf Fall ohne klärendes Gespräch verlässt, ist bei der Hochzeit kurz später schon schwanger.
Die arme Mathilda! Ausgestattet mit geringem Selbstbewusstsein ordnet sie sich Xaver, seinen Wünschen und Bedürfnissen unter, verzichtet auf ihre Träume und ihre Zukunftsplanung und hofft, dass sie sich irgendwann mit denen von Xaver decken. Bis sie eines Tages in eine halbleere Wohnung kommt und ein paar Wochen später in einer Zeitschrift ihren Geliebten mit einer schwangeren Verlobten entdeckt.
Durch die Presse erfährt sie auch, dass sein Sohn aus dem Kinderwagen im Garten verschwindet und man nie mehr etwas von ihm hört.

Die einzelnen Handlungssegmente sind auf originelle Weise zueinander komponiert und miteinander verflochten. Abseits der Chronologie wird Mathildas Geschichte erzählt, Xavers Geschichte, die alten Geschehnisse und das neue Treffen. Das Interesse des Lesers wird von einem Strang zum nächsten geleitet, die Spannung wird nicht in einem Bogen, sondern in Wellen aufgebaut und dreht sich etwa ab der Hälfte vor allem um die Frage, was damals mit Xavers Sohn passiert ist.

In einer zweiten Geschichte wird von Richard Sand erzählt, Xavers Großvater, und die beiden Stränge verbindet vor allem die Frage, wie man mit Entscheidungen umgeht, die, irgendwann getroffen, für den Rest des Lebens richtungweisend sind.

Eigentlich wird der Friedrich-Glauser-Preis für Krimis verliehen, aber auf die Idee, dieses Buch dem Krimi-Genre zuzuordnen, käme ich nicht. Die Entführung des Jungen wird aufgeklärt, und das Buch bezieht einen Teil seiner Spannung daraus, aber der Fall und seine Aufklärung sind nicht das Zentrum des Buches.
Das Ende … profan – so würde ich es nennen.
Mir gefiel Taschlers Roman „bleiben“ wesentlich besser, doch ich möchte auch die anderen Romane der Autorin lesen.