Rezension

Nach langer Zeit ein Buch das ich richtig genossen habe <3

Roofer
von Jutta Wilke

Bewertet mit 4 Sternen

Im Tausch gegen eine ehrliche Meinung habe ich über Vorablesen ein freies Rezensionsexemplar erhalten.

"Roofer" von Jutta Wilke ist ein Jugendroman indem wir hauptsächlich ein junges Mädchen namens Alice verfolgen, welches widerwillig durch ihre Freundin Nasti in die wundersame und gefährliche Welt der Roofer gezogen wird. Schnell merkt sie allerdings, dass sie mit den neuen Bekannten Nastis und ihren waghalsigen Aktionen gar nicht so viel zu tun haben möchte und versucht sich von ihnen zu distanzieren. Bevor ihr das jedoch vollends gelingen kann, planen sie schon das nächste große Ding um ihren Konkurrenten auszustechen und bringen damit zum ersten Mal auch Alices beste Freundin in nicht vorzustellende Lebensgefahr.

Als aller aller erstes möchte ich direkt eine kleine Warnung für Menschen aussprechen die sich rassistische Bemerkungen und des gleichen eventuell stark zu Herzen nehmen, da dieses Buch - für mich überraschenderweise - nicht nur die Welt der Roofer aber auch Sachen wie Rassismus und Selbstverletzung behandelt und auch nicht davor zurückschreckt ein paar Wörter in den Raum zu werfen, die nicht ganz so schön sind. Diese Annahme der verschiedenen Themen ist in meinen Augen zum einen definitiv ein Pluspunkt und zum anderen ein kleiner Nachteil.
Positiv in dem Sinne, dass sich die Autorin wohl offensichtlich Gedanken darüber gemacht hat und versucht hat dem Buch etwas mehr Tiefe und Realismus zu verleihen und Dinge anzusprechen ohne direkt mit der Tür ins Haus zu fallen. Nachteil weil es - um wirklich komplett ehrlich zu sein - eben weitaus besser umgesetzt hätte werden können. Dem Buch hätten ein paar Seiten mehr definitiv nicht geschadet, wenn dafür mehr auf diese einzelnen Themen eingegangen wäre. Am Anfang hatte ich mich schon ganz ehrlich gefreut zu lesen wie die Autorin einzelne Situationen ausarbeiten würde als die ersten Dinge angesprochen wurden.

"Inwiefern hat das später Einfluss auf die Geschichte?"
"Wird man im Laufe der Kapitel etwas mehr über die Hintergrundgeschichte erfahren?"
"Wird dieser Charakter eine Eingebung haben bezüglich zu dem und dem Thema?"

So nach dem Motto. Jedoch kam dann leider nie wirklich etwas, was wirklich extrem schade ist, da dieser Gedanke so viel Potenzial hatte.

Letzerer Gedanke ist dann tatsächlich sogar einer, der auf eine von wenigen Sachen bezogen ist, die mir leider überhaupt nicht gefielen und ich definitiv erwähnen muss - auch wenn ich das hier nicht all zu schwer werte, da ich immernoch weiß, dass der Protagonist nicht gleich der Autor ist. Allerdings ging mir Alice mit ihren Vorurteilen Obdachlosen gegenüber (was auch ein Thema ist, das zumindest etwas behandelt wird) sowas von vollkommen auf die Nerven, dass ich mich darüber kurz auskotzen muss. Nicht nur benutzt sie Wörter wie "Penner" um diese Menschen zu beschreiben (was für mich so schon schlimm genug wäre), nein. Sie ist vollkommen überrascht davon zu erfahren, dass ein anderer Charakter in diesem Buch auf der Straße lebt weil er eben überhaupt nicht ungepflegt ist; oder um es in ihren Worten zu beschreiben: "kein alter Mann mit Plastiktüten und Bierflaschen ist, vor dem sie nachts Angst hätte wenn sie ihm alleine gegenüber stehen würde". Das ging für mich einfach überhaupt gar nicht. Ich hatte wirklich die Hoffnung, sie würde ein kleines Licht irgendwie in ihrem Hinterkopf entdecken und es endlich einmal einschalten, allerdings war das wirklich vergeudete Zeit. Alice an sich ist zwar gar nicht so ein unsymphatischer Charakter, aber Vorurteilen bin ich immer sehr empfindlich gegenüber. Vor allem wenn man sich dann so benimmt, als würden Menschen einem plötzlich die ganze heile Welt verdrehen, weil man nicht in ihre perfekt angefertigten Schubladen passt.

Aber gut, dass soll nicht davon ablenken, wie toll ich das Buch im großen und ganzen tatsächlich fand. Deswegen kommen wir jetzt mal zu den Charakteren, wo ich definitiv ein paar positive Sachen zu sagen habe (und am Ende auch endlich mal zum schwärmen kommen kann <3).
Im Allgemeinen habe ich zu sagen, dass ich die Charaktere im großen und ganzen ziemlich realistisch fand. Ich will hier keinen großen Roman draus machen, deswegen belassen wir es dabei jeden einzelnen abzuklappern. Lasst euch nur gesagt sein, dass Alice definitiv nicht wirklich so unsymphatisch ist, wie ich sie vielleicht dargestellt habe und mir die Roofer Gruppe an sich ziemlich das Herz erwähnt hat, weil man wirklich merkt wie sie alle füreinander da sind wie eine kleine Familie und definitiv nach dem "einer für alle" Prinzip leben. Sie hatten sogar kein Problem damit Alice sofort einzubeziehen und sich mit ihr anzufreunden als Nasti sie mitgebracht hat, obwohl Alice an sich ja sogar versucht von ihnen Abstand zu nehmen.

Den einzigen den ich nur mal kurz etwas näher erwähnen möchte ist Trasher, welcher mir etwas wie der Anführer von der ganzen Gruppe vorkam und den ich am Anfang eigentlich auch ziemlich mochte. Gerade eben weil es auch so Situationen gab wo er sprichwörtlich im "Hulk" Modus war und jede mögliche Person auf 180 angeschrien hat, nur seine Freundin nicht. Zu der hat er sich dann meist umgedreht und hat vollkommen ruhig versucht zu erklären, dass sie sich keine Sorgen um ihn machen muss und dass alles okay ist, was ich wirklich unglaublich toll fand. Das Problem bei ihm ist aber einfach, dass er später trotz allem schließlich etwas manipulierend ihr gegenüber wirkt; es ist zwar nichts großartig schlimmes, aber man merkt es trotzdem und an manchen Stellen habe ich echt die Augenbrauen zusammengezogen, weil mir sein Verhalten wirklich nicht gefallen hat. Das Gute ist allerdings, das nichts davon gutgeheißen oder romantisiert wird. Also nichts von wegen "Das ist wahre Liebe" und "Muss so" und so einen Schwachsinn.

Übrigens, habe ich eigentlich mal Doc erwähnt? Ich meine ich habe zwar gesagt, dass ich nur auf einen Charakter eingehe, aber tut mir leid, dass ich dieses Versprechen breche, denn Doc is SO UNGLAUBLICH TOLL! Definitiv, dicht gefolgt von Bee, mein Lieblingscharakter von dem ich noch so so so viel mehr lesen wollte! Ich weiß nicht ob es eventuell an der Brille lag, dass ich ihn so mochte (wahrscheinlich eher nicht (; ), aber jedes mal als er irgendwie erwähnt wurde, habe ich sofort angefangen wie ein Idiot zu grinsen und zu hoffen, dass zwischen ihm und Alice eventuell etwas passiert. Also long story short, Doc ist toll und ich hätte weitaus mehr von ihm gebraucht.

Um dann übrigens mal kurz zu dem Schreibstil zu kommen: Der ist allgemein recht schnell gestaltet, so dass man wirklich ziemlich fix durchkommt; der Prolog an sich ist jedoch noch einmal einen ticken schneller und in einer tollen Kameraperspektive geschrieben die einen auf jeden Fall weiterlesen und gut in das Buch hereinkommen lässt. Das einzige was ich nicht ganz verstehe ist, wie der Prolog mit dem Rest der Geschichte zusammenhängen soll; bzw. ob das überhaupt der Plan war. Habe mir extra nochmal die ersten paar Seiten durchgelesen um sicherzugehen, aber die Stelle ist wirklich ziemlich zusammenhangslos wie man am Ende des Buches merkt. Trotz allem nach meiner Meinung der bestgeschriebenste Teil des ganzen Buches der mich sofort gepackt hat und bei dem ich fast schon sicher war, dass mir der Rest auch gefallen würde.

Das Ende fand ich, ganz am Rande erwähnt, ziemlich in Ordnung. Zwar hätte ich es definitiv bevorzugt, dass das Buch an einer gewissen früheren Stelle geändet hätte, aber ich war trotzdem zufrieden. Allgemein würde ich sagen, dass das eher etwas damit zu tun hat ob man Sad oder Happy Endings bevorzugt, als mit irgendwas anderem.

Eine letzte kleine Sache die ich besprechen möchte, ist die Romantik in diesem Buch. Ich werde nicht sagen was genau jetzt passiert, allerdings war ich mir bis zu einem bestimmten Punkt fast sicher, dass Alice ein kleines (großes) bisschen in Nasti verknallt ist, weil das wirklich perfekt zu den Emotionen und Handlungen von ihr gepasst hätte und die beiden tatsächlich auch ein wenig Chemie hatte. Oder zumindest mehr Chemie, als zwischen ihr und der Person mit der Alice dann schlussendlich etwas angefangen hat. Das fand ich wirklich extrem schade, weil ich mich schon so darauf gefreut habe, dass dieses Buch einen lgbt Charakter hat, ohne es vorher groß an die Glocke zu hängen. Für meine Hoffnungen konnte die Autorin natürlich nichts direkt, allerdings hätte man auch das dann besser schreiben können. Denn wenn zwischen der Hauptperson und ihrer besten Freundin mehr Chemie besteht als zwischen ihr und dem eigentlichen Love Interest sollte man sich Gedanken über den eigenen Schreibstil machen. Der natürlich nicht schlecht ist, nur würde man dann solche Missverständnisse vermeiden können.

Schlussendlich gebe ich dem Buch dann 4 Sterne, da ich es wirklich wirklich sehr mochte. Ich weiß zwar nicht wie gut das rübergekommen ist, da ich auch einige negative Punkte hatte, allerdings ändern diese nichts an der Tatsache, dass ich Spaß am Lesen hatte und das Buch definitiv empfehlen würde, wenn man sich für Jugendbücher mit etwas leichtere Action interessiert. Ebenso hoffe ich, dass diese Rezension gut verständlich war, trotz der Länge und dem Durcheinander. Ich bin solche langen Reviews nicht gewohnt und muss in Zukunft definitiv dran arbeiten wie ich diese umsetze, aber ich hatte so viel zu sagen und konnte die meisten Sachen eben nicht weglassen.