Rezension

Nach schleppendem Start, wirklich lesenswert!

Das Rosie-Projekt - Graeme Simsion

Das Rosie-Projekt
von Graeme Simsion

Bewertet mit 4 Sternen

Erster Eindruck:
Schon auf der ersten Seite wird deutlich: Don ist etwas anders konfiguriert. Wie er selbst zu sagen pflegt. Sein Leben läuft nach exakten Plänen (94min zum Badezimmer putzen. VIERUNDNEUNZIG! Genau 94! Nicht 93!) und zwischenmenschliches ist jetzt nicht so ganz seins… und was soll ich sagen? Er ist anstrengend. Sehr. Also nicht unbedingt er, aber der Erzählstil mit ihm als Ich-Erzähler nervt am Anfang doch ziemlich.

Zitat:

“”Dann kochen Sie also jeden Dienstag dasselbe, richtig?” “Korrekt.” Ich zählte die acht wichtigsten Vorteile des Standardmahlzeitenmodells auf.” (S. 73)

“7. Ich besaß umfangreiches Wissen – über Genetik, Computer, Aikido, Karate, Eisenwaren, Schach, Wein, Cocktails, Tanzen, Sexstellungen, gesellschaftliche Regeln und die Wahrscheinlichkeit für eine sechsundfünfzigfache Trefferserie beim Baseball. Ich wusste so viel Mist und wusste dennoch nicht, wie ich mich in Ordnung bringen sollte.” (S. 332)

Fazit:
Schon vor vielen, vielen Monaten hat meine damalige Betreuerin G. mich gefragt, ob ich das Buch gelesen habe. “Musst du unbedingt machen! Das ist sooo lustig!“. Letztens lag es in der Bibliothek und ich hab endlich mal zugegriffen. Und weil ich  mich jetzt noch ein paar Tage drum drücken musste “Silber – Das zweite Buch der Träume” zu lesen, hab ich es sogar auch angefangen. (Im Gegensatz zu “Eine handvoll Worte”, welches wohl einfach wieder zurück in die Bib wandert.) Doch zunächst habe ich nicht ganz verstanden wieso G. davon so begeistert war. Ich fand es schnell relativ anstrengend zu lesen, obwohl es natürlich auch ein wenig amüsant war und obwohl ich mich mit meiner handvoll Ticks, Macken oder nennen wir es doch einfach Zwängen, auch wiedergefunden habe. Doch während ich das einerseits halt lustig fand, hab ich mich anderseits auch gefragt, ob ich auch so nervig und anstrengend bin. ;)

Die ersten 50 Seiten zogen sich – obwohl es eine wirklich gute Darstellung von rein logischen Gedankengängen war – ein wenig wie Kaugummi. Und ich war froh als Rosie dann auf der Bildfläche erschien und alles etwas bunter gestaltete. Und vor allem abwechslungsreicher. Mit Rosie lockerte sich der Erzählstil auf, obwohl Don nach wie vor der Erzähler war. Und obwohl es vermutlich schlicht ein Stilmittel war und  so auch im Verlauf des Romans der auftauende Don verdeutlicht werden sollte, hinterlässt es einen leichten Beigeschmack.

Insgesamt ist das Buch – oh Wunder – sehr vorhersehbar. Allein schon weil es eine Fortsetzung gibt die zufällig auch “Rosie” beinhaltet. ;) Aber das tut dem Ganzen keinen Abbruch, denn in diesem Fall ist eindeutig der Weg das Ziel. Don ist insgesamt sympathisch und interessant und wenn man den ein oder anderen Asperger-Autisten kennt, dann nickt man auch das ein oder andere Mal zustimmend und versteht ein klein wenig mehr als vorher. Sicher sind hier nahezu alle Charaktere etwas überzeichnet. Manche Handlungen sind ziemlich glatt gebügelt und würden in der Realität so nicht funktionieren. Nicht ohne Konsequenzen. Und ich meine nicht nur die Andeutung von Konsequenzen. Also ja, vieles zielt hier auf eitel Sonnenschein ab. Aber der Weg dahin ist gut gemacht. Diese rein logischen, emotionslosen Gedankengänge von Don sind fantastisch dargestellt.

Das Rosie-Projekt ist kein Buch für jemanden der sich überraschen lassen möchte. Aber es ist sehr gute Unterhaltung, mit einem witzigen, angenehmen Schreibstil und sympathischen Charakteren, die alle ein wenig speziell sind. Und es ist ein Buch mit einer wunderbaren Moral, die ich jetzt gerne erwähnen würde, aber das wäre halt doch irgendwie zu viel gespoilert. Müsst ihr es wohl lesen. ;)

Würde ich es noch mal lesen? Vermutlich nicht. Würde ich mir den Film (den es wohl wirklich geben soll) anschauen? Ja, wahrscheinlich. Freue ich mich auf die Fortsetzung? Jaein. Ich frage mich nämlich ob es eine braucht. Und ob die Geschichte so wie sie ist nicht einfach schön ist und genau das aussagt was sie aussagen soll. Anderseits bin ich nun mal jemand, der auch nicht aufhören kann bevor etwas nicht beendet ist. Also werde ich es wohl lesen. Aber ich habe ein klein wenig Angst, dass eine Fortsetzung dieses Buch zerstören könnte…