Rezension

Nachdenklich machendes Buch über die großen Themen des Lebens, wenig Handlung

Das Gewicht der Worte - Pascal Mercier

Das Gewicht der Worte
von Pascal Mercier

Dieses Buch hat mich verzaubert, angeregt, ganz und gar für sich eingenommen. ABER: ich bin sicher, dass einige es schrecklich langweilig finden werden. Es gibt wenig Handlung, statt dessen ganz viele Gedanken und Beschreibungen, vor allem von menschlichen Begegnungen. Und das Hauptthema sind Wörter, die Sprache – oder besser gesagt – Sprachen. Wen das nicht interessiert, der braucht jetzt nicht weiterzulesen.

Die Vorgeschichte / der Autor

Es ist lange her, dass ich 'Nachtzug nach Lissabon' gelesen habe. Damals hatte ich wenig Zeit zu lesen und wenn, dann waren es Krimis oder leichte Romane. Doch beim 'Nachtzug' habe ich eine gewisse Faszination gespürt, die nach all den Jahren immer noch nachhallt. Deshalb fiel mir das neue Buch des Autors gleich auf.

Pascal Mercier ist Peter Bieri, ein Schweizer Philosoph, der in Berlin lebt. Dieses allerneueste Buch, einen dicken Wälzer von fast 600 Seiten hatte ich mir ausgeliehen, habe aber schnell festgestellt, dass ich es selber besitzen möchte, in Papier, auch wenn es 26 Euro kostet.

Die Handlung

Was passiert, ist schnell erzählt: Simon Leyland, leidenschaftlicher Übersetzer, hat zwei Schicksalsschläge zu verkraften, unter denen so mancher andere zusammengebrochen wäre: den plötzlichen Tod seiner Frau und eine falsche Diagnose, die sein Leben völlig durcheinander gewirbelt hat. Als er von seinem Onkel dessen Haus in London erbt, kehrt er, für den die italienische Hafenstadt Triest eine zweite Heimat geworden war, dorthin zurück, ist aber noch unschlüssig, ob er bleiben soll und was er mit seinem neuen Leben anfangen soll.

Mein Eindruck

Mich hat von Anfang an fasziniert, wie genau Mercier beobachtet und wie treffend er beschreibt, nicht mal Besonderes, eher Alltagssituationen, z.B. wie eine U-Bahn einfährt. Da könnte man neidisch werden, weil man zwar auch so empfindet, es aber nicht in einer solch passenden bildhaften Sprache ausdrücken kann.

Das Buch kann nicht verleugnen, dass sein Autor Philosoph ist, denn in vielen Gesprächen der Personen untereinander werden allgemein menschliche Themen analysiert, diskutiert, hin- und her gewälzt, aber alles so, dass auch ein Nicht-Philosoph es gut verstehen kann.

Es geht um Erinnerungen und was sie für das gegenwärtige Leben bedeuten, um die Zeit, die Zukunft, die Frage, was im Leben wirklich wichtig ist, um Freundschaft, um Verluste, um die Frage, ob man auf Verlangen töten darf (gerade wieder sehr aktuell), aber vor allem um Wörter, um Sprache, um Literatur, um das Poetische.

Leyland war schon als Kind 'sprachenverrückt' und als Erwachsener ist er literarischer Übersetzer, leidenschaftlicher Wortsammler und Wortabwäger. Der Leser bekommt einen interessanten Einblick in das Wesen des Übersetzens und somit der Sprache, der ganz besonderen Melodie, die jeder zu Eigen ist. In Zukunft werde ich übersetzte Bücher mit anderen Augen sehen bzw. lesen.

Was mir auch gut gefallen hat: die zwischenmenschlich warmherzige Atmosphäre, die neuen und alten Freundschaften, die Beschreibung und Charakterisierung der Personen, das liebevolle Verhältnis zu seinen erwachsenen Kindern.

Fazit

Für mich ist es ein 'Lebensbuch', eines, das die vielen grundlegenden Themen eines jeden Menschen diskutiert und abwägt, das viel Stoff zum Nachdenken bietet, ein Buch für Leser, für Buch- und Sprachverrückte, eines, das man mehrfach lesen muss, ganz langsam, und wo man immer noch neue Gedanken finden wird und noch mehr Stellen, die man markieren könnte.

Aber: bitte meine Warnung oben beachten!