Rezension

Nachkriegsdeutschland

Die geliehene Schuld - Claire Winter

Die geliehene Schuld
von Claire Winter

Bewertet mit 5 Sternen

Berlin, Sommer 1949: Vera Lessing hat im Krieg ihren Mann und ihre Eltern verloren. Sie will die traumatischen Erlebnisse für immer hinter sich lassen. Doch dann stirbt ihr Freund und Kollege Jonathan Jacobsen. Die Umstände seines Todes sind mysteriös. Als ihr dann seine letzten Recherchen in die Finger kommen, fühlt sie sich verpflichtet, seine Arbeit weiterzuführen. Er hat über ehemalige Kriegsverbrecher recherchiert und Spuren bis zu einem Gefangenenlager in Italien verfolgt. Sie erfährt, dass Jonathan mit einer Marie Weißenburg in Kontakt stand und versucht, diese Frau zu finden. Allerdings ahnt sie nicht, dass die ganze Sache in die höchsten Kreise reicht und dass der Geheimdienst ein Interesse daran hat, das alles unter der Decke zu halten. Es wird gefährlich für Vera.

Dies ist mein erster Roman von Claire Winter. Die Geschichte hat mich von Anfang an gepackt, denn der Autorin ist es grandios gelungen, historische Fakten mit einer fiktiven Geschichte zu verknüpfen.

Es geht um ein dunkles Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte. Ehemaligen Kriegsverbrechern gelang die Flucht über die Rattenlinien mit Unterstützung von höchsten Stellen. Selbst die Alliierten und die katholische Kirche unterstützen dies stillschweigend. Um der strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen, gingen diese Flüchtigen entweder nach Südamerika oder sie tauchten mit gefälschten Papieren und unbelasteter Identität wieder in Deutschland auf. Es ist bekannt, dass nach dem Krieg viele der Leute, die während der Nazi-Herrschaft das Ruder in der Hand hatten, auch nach dem Krieg wieder in verantwortungsvolle Posten gelangt sind. Sogar Adenauer hatte wenig Bedenken, als er eine Regierung bildete.

Jonathan ist ein guter Journalist, der sich in eine Sache verbeißen kann und sogar dranbleibt, wenn es gefährlich wird. Vera ist eine mutige junge Frau, die trotz der Gefahren, die Recherchen ihres Freundes weiter betreibt. Marie Weißenburg arbeitet in Bonn als Sekretärin im Parlamentarischen Rat unter Adenauer und ein Zeitungsartikel bringt sie dazu, sich für Politik und die Vergangenheit zu interessieren. Dabei stellt sie sogar die Tätigkeit ihres im Krieg gefallenen Vaters in Frage. Aber in ihrer Familie wird darüber nicht gesprochen. Die Charaktere sind sehr gut und authentisch ausgearbeitet.

Wenn man sich für Geschichte interessiert, sind einem die Fakten bekannt und doch macht es betroffen und wütend, wenn man dieses Buch liest und einem bewusst wird, wie leicht die Schuldigen davongekommen sind.

Dieses Buch ist spannend und ist fesselnd wie ein Thriller.