Rezension

Nachteile eines brillanten Verstandes und eine tiefe Freundschaft

Sherlock Holmes: Das Zeichen der Vier - Arthur Conan Doyle

Sherlock Holmes: Das Zeichen der Vier
von Arthur Conan Doyle

Klappentext:
Endlich ein neuer Fall für Sherlock Holmes! Sieben Jahre sind seit seinem Zusammentreffen mit Dr. Watson und ihrem ersten gemeinsamen Fall vergangen. In dieser Zeit schienen die Verbrechen zu pausieren. Doch nun erreicht Holmes das verzweifelte Hilfegesuch einer jungen Frau, und Watson knüpft amouröse Bande…

Einordnung:
- Eine Studie in Scharlachrot (Roman Nummer 1)
- Das Zeichen der Vier (Roman Nummer 2)
- Die Abenteuer des Sherlock Holmes (Kurzgeschichten Band 1)
- Die Memoiren des Sherlock Holmes (Kurzgeschichten Band 2)
- Der Hund von Baskerville (Roman Nummer 3)
- Die Rückkehr des Sherlock Holmes (Kurzgeschichten Band 3)
- Das Tal der Angst (Roman Nummer 4)
- Seine Abschiedsvorstellung (Kurzgeschichten Band 4)
- Sherlock Holmes' Buch der Fälle (Kurzgeschichten Band 5)

Rezension:
In der ersten Szene des Buches wird schon deutlich, dass Sherlock Holmes‘ bekannter überragender Verstand nicht nur Vorteile mit sich bringt. Wann immer er keinen Fall zu lösen hat, langweilt er sich so sehr, dass er auf Drogen zurückgreift, um seinen Geist anzuregen. Als Arzt ist Dr. John Watson, aus dessen Perspektive auch dieser Roman geschrieben ist, natürlich absolut nicht begeistert davon, dass Sherlock sich Kokain und Morphium in solchen Maßen spritzt, dass bereits sein ganzer Arm vernarbt ist.
Um ihn von weiterem Konsum abzuhalten, hinterfragt John die Theorien, die Sherlock aufstellt und lässt sich über die Werke informieren, die er geschrieben hat. So erhält der Leser einen tieferen Eindruck in die verschiedenen Bereiche, die den Detektiv besonders interessieren. Beispielsweise hat er Abhandlungen über die Asche verschiedener Tabaksorten, das Lesen von Fußspuren und die Form von Händen in unterschiedlichen Berufen geschrieben. Außerdem erklärt er ausführlich einige Deduktionen, die er an John vornimmt und die im ersten Moment vollkommen undurchsichtig, nach der Erklärung jedoch ziemlich offensichtlich sind.
Wenig später findet eine Klientin den Weg zur Baker Street. Ihr Vater ist vor beinahe zehn Jahren verschwunden. Seit sehr Jahren erhält die Klientin jährlich ein Päckchen, in dem sich immer eine wertvolle Perle befindet. In diesem Jahr jedoch hat sie einen Brief erhalten, in dem ein unbekannter Mann um ein Treffen bittet, um eine Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen. Zur Sicherheit dürfen sie zwei Freunde begleiten – und sie entscheidet sich für Sherlock Holmes und John Watson.
Auch dieser Roman blickt wieder über die Grenzen Großbritanniens hinaus, auch wenn die aktuelle Handlung den britischen Boden nicht verlässt. Durch die Verknüpfung mit Indien bietet das Buch ganz nebenbei einen Einblick in die englische Geschichte und in Sitten und Lebensweisen anderer Völker. Der Leser erlebt so mehr Abwechslung, weil sich die Charaktere dadurch nicht bloß mit Schusswaffen gegenüber stehen.
Im Laufe der Geschichte wird deutlich, dass auch Sherlocks brillanter Verstand manchmal nicht ausreicht, um alle Details eines Falls vorauszusehen. Eine einzige falsche Schlussfolgerung treibt ihn fast in den Wahnsinn, auch wenn der Denkfehler nur sehr klein ist. Frustriert macht er sich selbst auf die Suche. Dabei verwendet er eines seiner Kostüme, mit denen er sein Aussehen so komplett verändern kann, dass nicht einmal John ihn erkennt. Durch die vielen Deduktionen, die Sherlock in seinem Leben schon gemacht hat, weiß er um alle verräterischen Details, sodass seine Verkleidung fast perfekt ist.
Ein kleiner Detailfehler, der Doyle in diesem Roman unterlaufen ist, ist die Tatsache, dass John Watson offenbar in den sieben Jahren zwischen diesem und dem letzten dokumentierten Fall vergessen hat, dass er aus dem Krieg eine Schussverletzung in der Schulter und nicht im Bein davongetragen hat. So sind längere Strecken in diesem Buch manchmal ein Problem für John und bei jedem Wetterumschwung hat er starke Schmerzen.
Außerdem ist ein Punkt, in dem ich Sherlocks Missfallen ganz und gar zustimme, John Watsons Hochzeit. Obwohl der Leser die Ereignisse aus Johns Journal erfährt, wird nur sehr wenig Wissen über seine zukünftige Frau vermittelt. Sie scheint eine bescheidene, ehrliche und freundliche Frau zu sein, tiefere Einblicke in ihr Wesen und Geschichten über ihr Leben gibt es jedoch nicht.
Allerdings muss ich hier anmerken, dass ich nach der Beschreibung einiger weiterer Beziehungen bzw. Ehen zu dem Schluss gekommen bin, dass es zur damaligen Zeit (Ende des 19. Jahrhunderts) normal gewesen zu sein scheint, sich eine Woche nach der ersten Begegnung zu verloben. Sherlock missfällt diese Entwicklung dennoch, auch wenn er denkt, dass sie die geeignete Frau für John ist, da die Liebe in seinen Augen zu sehr den Verstand beeinträchtigt.

Fazit:
Auch dieser Sherlock Holmes Fall ist wieder detailreich beschrieben. Es gibt mehr Schwierigkeiten als im ersten Roman, vor allem funktioniert nicht immer alles so, wie sich Sherlock das vorstellt. Natürlich sind auch die Deduktionen nach wie vor beeindruckend und mir gefällt die Freundschaft, die Sherlock und John verbindet. Daher bekommt auch „Sherlock Holmes: Das Zeichen der Vier“ fünf Schreibfedern.