Rezension

Nachts

Nachts - Mercedes Lauenstein

Nachts
von Mercedes Lauenstein

Bewertet mit 5 Sternen

Nacht für Nacht streift eine junge Frau durch die Stadt. Sie sucht nach etwas, doch sie weiß nicht, wonach. Vielleicht, denkt sie, kann sie es hinter den letzten erleuchteten Fenstern finden. Sie klingelt an den Türen. Und begegnet Menschen im Moment ihrer höchsten Einsamkeit - Menschen, die nachts erst richtig zu leben beginnen, wenn draußen alles still und dunkel ist. „Die Nacht“, sagt er, „mag ich deshalb, weil man in ihr viel klarer sieht als am Tag. Was ja der Tatsache, dass es tagsüber hell ist, eigentlich widerspricht.“ Ich schweige. Wir gucken zum Fenster hinaus und sehen uns selbst. In der Spiegelung treffen sich unsere Blicke. Dann sagt er: „Und jetzt möchte ich, wenn du erlaubst, gerne ins Bett gehen." (Quelle: amazon.de)

Wir begleiten die Protagonistin auf ihren nächtlichen Streifzügen durch München zu 25 unterschiedlichen Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts. Fast immer wird die junge Frau ohne Probleme rein gelassen. Das anfängliche Misstrauen legt sich schnell und ihr wird Einlass gewährt. So erfährt der Leser von unterschiedlichsten Personen, warum sie nachts wach sind. Über die junge Frau dagegen erfährt man so gut wie nichts, weder ihren Namen noch sonst eine Information über Wohnort etc. Im Verlauf des Romans wird deutlich, dass sie noch relativ jung ist und allen Anschein nach einsam ist, genau wie einige Menschen, bei denen sie zu Besuch sind. Es ist deutlich spürbar, dass sich viele freuen, dass sie nach den Gründen ihres nächtlichen Wachbleibens fragt und sie besucht. Es ist spürbar, dass bei vielen großer Bedarf ist zu reden. Endlich fragt mal einer. Oft ist es weniger ein Gespräch, als ein Monolog. 25 verschiedene Menschen und 25 verschiedene Geschichten, die einen erheitern und nachdenklich machen. 25 Menschen, die alle irgendwie einsam erscheinen und diese Einsamkeit in den Mantel der Nacht zu hüllen.

Der Schreibstil ist klar und dennoch schwingen viele Töne zwischen den Zeilen. Die Kapitel sind oft nur kurz, aber in ihrer Wirkung gewaltig. Auch wenn es hier keinen wirklichen Spannungsbogen gibt, lässt einen die Atmosphäre des Buches nicht mehr los. Noch besser klappt dies, wenn es nachts bzw. spät abends liest. Ich selbst bin kein Nachtmensch, doch konnte ich die Stille und Klarheit, die man wohl auch nur in der Nacht fühlen kann, beim Lesen so klar fühlen als wäre ich selbst bei den Besuchen mit dabei.

Das Debüt von Mercedes Lauenstein lässt keinem Genre zu ordnen. Die Idee ist einzigartig. Mir hat dieses kleine, schmale Buch wahnsinnig gut gefallen und ich hätte die Protagonistin gerne noch weiter auf ihren Streifzügen begleitet, denn leider waren die knapp 200 Seiten schnell vorüber. Ganz klar Leseempfehlung für dieses außergewöhnliche Buch!