Rezension

Nähkästchengeplauder eines genialen Klavierstimmers

Große Maestros, hinter der Bühne erlebt - Franz Mohr, Beat Rink

Große Maestros, hinter der Bühne erlebt
von Franz Mohr Beat Rink

Bewertet mit 4 Sternen

Wer sich zu jedem Konzertabend den passenden Flügel aussuchen kann oder gar seinen eigenen mitbringt, der kann sich wohl "Maestro" nennen lassen. Auch wenn mir diese Bezeichnung sonst eher im Zusammenhang mit Dirigenten vertraut ist und das für mich eigentlich alles "Pianisten" sind.

Franz Mohr, einst einer der besten Stimmer der renommierten Firma Steinway&Sons, schrieb bereits ein Buch über die Zusammenarbeit mit berühmten Pianisten. Dieser Nachfolgeband entstand in Zusammenarbeit mit Beat Rink, der die Gespräche mit dem Klaviertechniker hier in Interviewform wiedergibt. Das macht sie sehr authentisch und unmittelbar, hat aber den Nachteil, dass das Berichtete manchmal etwas schlicht und unstrukturiert daherkommt. Dennoch habe ich mich keinen Augenblick gelangweilt.

Den bedeutenden Pianisten Glenn Gould, Wladimir Horowitz und Rudolf Serkin ist jeweils ein ganzes Kapitel gewidmet, ebenso Wanda Horowitz, der sehr speziellen Gattin des Ausnahmepianisten. Man erfährt, wie es dem menschenfreundlichen Stimmer gelang, den ausgefallenen klanglichen Wünschen seiner berühmten Klientel gerecht zu werden. Für jemanden, der sich mit Klaviermusik ein kleines bisschen auskennt, ist das extrem kurzweilig, interessant und manchmal auch grotesk, wenn Mohr zum Beispiel von Glenn Gould erzählt, der immer mit einem Müllsack zum Konzert anreiste ... Oder wir lesen die eine oder andere amüsante Indiskretion wie die, dass der korpulente Lazar Berman einst im Hause Horowitz durch sein Körpergewicht aus Versehen einen antiken Stuhl zertrümmerte. Alles immer aus dem liebevollen Blick eines zurückhaltenden Menschen, der vielen seiner berühmten Kunden freundschaftlich verbunden war. Nebenbei erhalten wir sehr spannende Einblicke in die Stimmarbeit und lernen zum Beispiel die klanglichen Unterschiede zwischen deutschen und amerikanischen Steinways kennen, und natürlich darf auch die eine oder andere Spitze gegen den asiatischen Massenproduzenten Yamaha nicht fehlen.

Da es im hinteren Teil des Buches vor allem um Franz Mohr selbst geht, ist es nur natürlich, dass sein tiefer christlicher Glaube dort noch ein bisschen mehr Raum findet. In schlichten, sympatischen Statements legt er immer wieder seine Glaubensansichten dar, wenn dieses Thema bei interessanten Kontakten und Reisen gestreift wurde. Sehr berührend waren für mich die Berichte vom Besuch in Japan und in China. Unweigerlich ging es auch hier um den Glauben. Dort wollten die Leute nicht nur von ihm hören, wie man die Flügel berühmter Pianisten stimmt, sondern auch, wie man betet ... So findet man sich am Ende überraschenderweise in einem sehr christlichen Buch wieder, das lebendig schildert, wie natürlich sich der christliche Glaube in den Alltag integrieren lässt. Nicht zuletzt an dieser wunderbaren thematischen Zugabe liegt es, dass mich die gelegentlich etwas nähkästchenplaudernde Attitüde überhaupt nicht gestört hat.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 02. April 2020 um 00:09

"und natürlich darf auch die eine oder andere Spitze gegen den asiatischen Massenproduzenten Yamaha nicht fehlen"...*vorvergnügenkreisch*.

Wunderschöne Rezension. Mag auch den christlichen Klang. Ich habe doch auch mal ein Buch über Steinways gelesen, .. ist aber schon ewig her. Steinways & Sons von R.K. Liebermann. War auch sehr interessant.

Arbutus kommentierte am 04. April 2020 um 14:41

Oh, danke! Wie schön, dass ich Dir wieder mal ein bisschen Vergnügen bereiten konnte, liebe Wanda. Meine Querflötenpartnerin hatte mir dieses Buch mal vor Jahren geliehen. Jetzt bekommt sie es endlich zurück (sobald man sich wieder treffen kann...)