Rezension

Nancy Mitford ist neugierig

Die Schwestern von Mitford Manor - Unter Verdacht - Jessica Fellowes

Die Schwestern von Mitford Manor - Unter Verdacht
von Jessica Fellowes

Bewertet mit 3 Sternen

Für die junge Louisa ist die Stelle als Kindermädchen bei der exzentrischen Adelsfamilie der Mitfords eine Rettung aus dem Elend. Nach dem Tod des Vaters geht es der Familie immer schlechter, zumal sich der Onkel Stephen eingenistet hat und Louisa unmissverständlich dazu aufgefordert hat, seine Schulden bei Buchmachern in Naturalien abzuzahlen.
Bei den Mitfords findet sie nicht nur einen chaotischen kinderreichen Haushalt, sondern mit der ältesten Tochter Nancy auch eine Freundin. Nancy ist ziemlich frühreif, neugierig und fantasievoll. Alles, was sie später als Schriftstellerin auszeichnen sollte. Als eine Bekannte der Familie, die Krankenschwester Florence Nightingale Shore in einem Zug ermordet wird, ist die Neugierde der beiden geweckt. Besonders da Louisa Zeugin des Abtransports der Leiche war. So beginnt das ungleiche Paar zu ermitteln, immer unterstützt vom jungen Sullivan, der grade seinen Dienst bei der Bahnpolizei begonnen hat.
Interessiert hat mich das Buch hauptsächlich wegen der Mitfords. Ich schätze Nancy als Autorin und anglophile Leserin kenne ich auch einiges aus der Familiengeschichte der Schwestern. Das Setting – die Zwanziger Jahre in England – ist ein farbiger und interessanter Hintergrund. England beginnt sich allmählich vom Trauma des Ersten Weltkriegs zu erholen und die alte Gesellschaftsordnung scheint nicht mehr so fest betoniert wie zuvor. Die beiden jungen Frauen wagen sich trotzdem weit vor mit ihren Befragungen und Ermittlungen. Das war aber nicht immer stimmig. Mir war es zu unrealistisch, dass sich Louisa als neues Kindermädchen so viele Freiheiten herausnehmen konnte und so viel Zeit für die Ermittlungen hatte. Da hätte ich mir – gerade bei Jessica Fellowes – mehr historische Genauigkeit gewünscht.
Ich fand das Buch allerdings auch als Krimi nicht sonderlich spannend, vielleicht weil es zu unentschieden zwischen den Familienturbulenzen der Mitfords und den Detektivambitionen von Louisa, Nancy und Sullivan pendelt. Es ist breit angelegt und stellenweise recht abschweifend erzählt. Nicht immer sind die Handlungen logisch. Wann immer etwas erklärt werden muss, dass sich aus der Handlung nicht ableiten lässt, taucht passenderweise ein geheimnisvoller Brief auf, der den Protagonisten und damit den Lesern eine neue Richtung vorgibt.
Den Mord an Florence Shore hat es tatsächlich gegeben und da er nie aufgeklärt wurde, ist die Lösung der Autorin sehr gewitzt.