Rezension

Negativität überwiegt leider

Café Engel - Marie Lamballe

Café Engel
von Marie Lamballe

Bewertet mit 3 Sternen

Wie sehr hatte ich diesem Buch entgegengefiebert! – Erhoffte ich mir doch eine Familiengeschichte vor dem historischen Hintergrund des Zweiten Weltkriegs; Mutter und Tochter, die um die Existenz ihres kleinen Künstler-Cafés kämpfen und dem Elend die Stirn bieten; eine geheimnisvolle, bildschöne Cousine aus Ostpreußen, die nach ihrer Flucht plötzlich auf der Bildfläche erscheint und für Verwirrung sorgt – all das in Kombination mit dramatischen Kriegserlebnissen, den üblichen Irrungen und Wirrungen der Liebe und möglichst vielen spannenden Hintergrundinformationen dazu, wie die (vom Nazi-Regime verfolgten) Künstler/innen dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte erlebt haben… Leider hat mich dieses Werk relativ enttäuscht zurückgelassen und rein gar nicht fesseln, geschweige denn emotional berühren können. Schlimmer noch, gegen Mitte der Geschichte musste ich mich regelrecht zum Weiterlesen aufraffen (- was bei mir eine absolute Seltenheit ist; ich liebe es, zu lesen und insbesondere das Genre der historischen (Frauen-)Romane ist meine Leidenschaft -). Letztendlich überwogen die Neugier (darauf, wie die bis dahin unbefriedigenden Handlungsstränge wohl aufgelöst werden würden) und die Hoffnung (darauf, dass eine unerwartete Wendung doch noch dazu führen würde, mir die Figuren näherzubringen). Nach Abschluss des Romans musste ich allerdings feststellen, dass mir die Charaktere nach wie vor größtenteils unsympathisch, im Idealfall gleichgültig waren.

Ich horchte also in mich hinein. Was war schiefgelaufen? (Immerhin hatte ich dieses vielversprechende Buch, dessen wunderschönes Cover mich verzaubert hatte, so gerne mögen wollen.) Die Leseprobe hatte mich durch eine einnehmende Leichtigkeit beeindruckt: ein flüssiger Schreibstil, detaillierte, bildreiche Beschreibungen, die gekonnt die Atmosphäre des Café Engel einfangen und Optimismus pur – trotz Vorboten des Krieges. Ein wundervoller Start in die Handlung! Man lernt die sympathische Familie Koch kennen, die das besagte Café - Treffpunkt der Wiesbadener Schickeria – bewirtschaftet und ist gespannt, was das Schicksal für sie und ihre Freunde bereithalten wird. Diese Leichtigkeit ist im Laufe der Geschichte leider völlig abhandengekommen. Natürlich ist mir bewusst, dass während eines Krieges nicht die Glücksgefühle überwiegen, sondern dass sich tragische Szenen abspielen. Jedoch habe ich schon weitaus schwerwiegendere Kriegsberichte gelesen (in denen z.B. der harte Lazarett-Alltag einer Kriegskrankenschwester geschildert wurde; Amputationsbeschreibungen inklusive), die auch von schlimmen Verlusten handelten und dennoch keineswegs gänzlich in Negativität versanken, sondern stets das Gute hervorhoben, die Hoffnung, die Freude am Leben. Hier hingegen hatte ich das Gefühl einer dunklen Wolke, die während des Lesens permanent über meinem Kopf hing.

Viele der Figuren unterlaufen eine Wandlung in ihrem Wesen, die alles andere als positiv ist. Gerade Julia, eine Jüdin, die von der Familie Koch vor den Nazis versteckt wird, hätte ich aufgrund ihrer grenzenlosen Selbstwertunterwanderung und Naivität, die mich kochen hat lassen vor Wut, am liebsten schütteln wollen. Sie ist nicht der einzige Charakter, über den ich mich maßlos aufgeregt habe. Ob unerklärliche und wenig authentische 180-Grad-Wendungen, oder schlichtweg unangenehme Charakterzüge – gegen Ende waren mir die meisten Figuren egal.

Dieser Roman besteht aus unverhältnismäßig vielen verschiedenen Perspektiven, die abwechselnd in Kapitel unterteilt sind. Einerseits erhält man als Leser somit einen Einblick die Gedanken einer Vielzahl von Figuren. Bei mir war es allerdings so, dass ich aufgrund der großen Menge an Erzählperspektiven (- die dazu noch in verschiedene Zeitebenen unterteilt sind, was anfangs ein wenig verwirrend war -) von jeder Figur ein wenig, aber von keiner genügend Tiefe wahrgenommen habe. Dieser Eindruck zog sich durch die gesamte Handlung und so blieb die emotionale Distanz bis zur letzten Seite bestehen, leider. Den krönenden Abschluss bildet dann ein Ausklang, der wie mit dem Vorschlaghammer erzwungen scheint – als müsse man schnell zu einem Rundum-Ende gelangen.

Bleibt der Schreibstil auch weiterhin flüssig, wird er doch seines ursprünglichen Optimismus beraubt und ist bestenfalls als neutral zu beschreiben. Mit dem Wortlaut des Klappentextes, auf den die Autoren oftmals kaum Einfluss haben, bin ich nicht einverstanden, da er meines Erachtens irreführend ist. Die Zeitspanne, in der Hilde und Luisa sich endlich begegnen ist relativ kurz, unmittelbar vor dem Ende des Werkes. Der Roman endet also genau dort, wo er laut Beschreibung seinen Hauptfokus hätte haben sollen. Ehrlich gesagt, werde ich die Folgeromane dieser Trilogie mit ziemlicher Sicherheit nicht lesen.

Fazit: Schade, schade. Dieses Werk hat leider all das, was viele Nicht-Leser von historischen Romanen mit diesem Genre assoziieren: unnahbare Figuren, zu denen man keinen Bezug aufbauen kann, verwirrende Zeitsprünge, und eine ermüdende Langatmigkeit, die das Werk unnötig in die Länge zieht.