Rezension

Nele schreibt Spannungsliteratur- Von Lolita zu Lilith

Straße nach Nirgendwo - Nele Löwenberg

Straße nach Nirgendwo
von Nele Löwenberg

Bewertet mit 3 Sternen

Es empfiehlt sich den 1. Teil "Sommer der Wahrheit" vorab zu lesen, es ist aber nicht zwingend erforderlich, alles wird nochmal kurz geschildert, wenn auch nicht so ausdrücklich und spannend. 

Frau Löwenberg-Neuhaus schreibt hier wieder mal einen Psycho-(Justiz-)Thriller oder vllt auch Psycho-Roman, wenn es den gibt. 

Das Buch beginnt, wo das letzte aufgehört hat. Nachdem Sheridan die Geheimnisse der ganzen Familie aufgetischt hat, ist sie an Heiligabend geflüchtet. Ihr Adoptivbruder Esra, der erfahren musste, dass Vernon Grant nicht sein leiblicher Vater ist, begann am 1. Weihnachtstag einen Amoklauf, bei dem ein Familienmitglied getötet wurde und weitere verletzt worden sind. Auch einige Farmarbeiter wurden erschossen. Sheridan erfährt davon durch den Fernsehr in einem Autobahnrestaurant, wo sie dann auch als Verdächtige (warum auch immer?) von der Polizei in Handschellen abgeholt wird. Doch wieder zurück in Nebraska lernt sie den neuen Cop kennen, der den Fall aufklären will und ihr als einziger glaubt. Sheridans Adoptivmutter verrät den Medien, wen Sheridan alles verführt hat und dass sie Schuld an dem ganzen Amoklauf sei. Daraufhin flüchtet Sheridan erneut, sie kann ihr Gesicht niemandem mehr zeigen, ohne dass sie alle für ein  Flittchen halten. Ja, Sheridans Adoptivmutter streute auch das Gerücht, dass sie was mit ihrem Adoptivvater und -bruder Esra hatte. Währenddessen wollen Sheridans Ex-Liebhaber nichts mehr mit ihr zu tun haben, ihr Lehrer schlachtet ihre Beziehung als Promotion für sein interessantes Buch aus, ihre große Liebe der Pfarrer hat alles seiner Frau gebeichtet und will nichts mehr mit ihr zu tun haben.

ABER: Natürlich ein neuer älterer Mann, eine neue Geschichte. Der Cop Jordan nimmt Sheridan mit nach Licoln zu sich nach Hause, denn immer, wenn sie sich berühren, bekommen die beiden elektrische Schläge. Sie verstehen sich super. Doch Jordan stellt Sheridan seiner Verlobten vor und Sheridan kann erstmal im Haus der Verlobten wohnen und auf eine neue Schule gehen. Dort lernt sie den Schulpsychologen kennen, auch von ihm träumt sie. Und so erzählt sie ihm eine beschönigte Version ihres Lebens und lässt alles aus, was gegen sie sprechen könnte. Als die Wahrheit auffliegt und sie sich auch nicht mehr mit der seltsamen Verlobten von Jordan versteht, flüchtet sie wieder. DER WEG IST DAS ZIEL. Sheridan wird auf der Reise durch Amerika neue Männer kennenlernen und ihnen wieder verfallen. Sie hat noch einige schwere Wege vor sich. Neu ist: Jedesmal glaubt sie, die alten Männer wollen sie heiraten. Doch diese Meinung ist ein fataler Fehler.

Sheridan nervte mich nach einer Weile nur noch und ihre Gedanken waren nicht mehr nachvollziehbar. Mag sie traumatisiert sein, was man nicht unbedingt bemerkt hat, oder sehr gut im Verdrängen, man versteht ihre Meinungsumschwünge nicht. Den Kontakt zum geliebten Teil ihrer Familie bricht sie ab, bis auf ein paar Mails mit ihrer Schwägerin. Niemand darf wissen, wo sie ist.

Die Handlung des Buches wird diesmal aber auch stärker von den Nebenfiguren geleitet. So kommt Nicholas wieder und lernt den Cop Jordan kennen, zu dem auch er gleich einen heißen Draht hat. Auch ihm hilft er, als er vom Schicksal hart getroffen worden ist. Verlobte weg, Eltern tot, Selbstfindung und ein ungeklärtes Familiengeheimnis. Die beiden sind sehr harmonisch miteinander und machen die Geschichte interessant.

Außerdem klärt Cop Jordan den Fall um Adoptivmutter Rachel. Diese Person ist noch schlimmer, als man dachte. - Warum der ganze Ort für sie schwieg, wird allerdings immernoch nicht aufgeklärt, was sehr schade ist. Da gibt es sicher noch jede Menge Geheimnisse.- Und wieso sie Waffen für den Amoklauf ihres Lieblingssohn Esra ein halbes Jahr vorher besorgt hat (Esra plante diesen offensichtlich nur 1 Tag, nachdem er erfuhr, dass sein wahrer Vater unbekannt ist/ oder sollte der Amoklauf stattfinden, damit er im Januar nicht zur Armee musste, und seine Mutter sollte ihm dabei helfen?), erfahren wir auch nicht.

Auf der Farm wendet sich schließlich für alle Personen alles zum Guten. Selbst Vernon wird sein Happy End bekommen. Doch Sheridan will (warum auch immer???) den Kontakt zu ihrer Vergangenheit endlich aufgeben und ihre E-Mail-Adresse ändern, so dass sie von den Neuigkeiten nichts mehr erfahren kann. Jedenfalls endet das Buch an der Stelle. Sheridans Schicksal bleibt offen. Im Fall um ihre Herkunft ist sie keinen Schritt weitergekommen. Ihre Talente schlummern weiter vor sich hin und ihren Schulabschluss holt sie auch nicht nach. Doch sie ist zur jungen Frau gereift und nun auch verlobt. 

Auch dieser Thriller lässt sich wieder super lesen. Frau Löwenberg-Neuhaus hat einen sehr gut lesbaren Schreibstil und ihre Geschichten sind spannend. Die Charaktere sind vielseitig, wahre Sympathieträger, Teufel in Personen, oder irgendwas dazwischen. Einfache Schwarz-Weiß-Malerei gibt es bei ihr nicht. Die Landschschaftsbeschreibungen sind wunderschön.

Nur mit Chronologien und Altersangaben scheint sie es hier nicht so zu haben. Wieso der Schulpsychologe seine Meinung so krass von einer zur nächsten Sekunde über Sheridan geändert hat, ist kaum nachvollziehbar und vor allem unprofessionell. Wieso Christopher Finch (Lehrer) plötzlich ekelige Dinge mit Sheridan getan hat, erfahren wir auch nicht. Im 1. Band schwärmte sie von seinen Verführungskünsten (durch Vorlesen und Dirty Talk). Warum in einem Land, wo es die Todesstrafe gibt, Erwachsene, die mit Minderjährigen Geschlechtsverkehr hatten, nicht strafgesetzlich verfolgt werden, ist mir auch schleierhaft. An dieser Stelle hat die Autorin eventuell nicht gut recherchiert. Denn ob einvernehmlich oder nicht, im größten Teil  Amerikas wird dafür gesorgt, dass diese Menschen nirgendswo mehr Fuß fassen können. Und dass die starke, intelligente Sheridan ohne zu zögern Drogen einnimmt, die man ihr aufzwingt, ist mir auch schleierhaft. Am allerseltsamsten fand ich es jedoch, dass es in Amerika im Jahr 2000 schon überall in der Öffentlichtkeit freies WLAN gab, wo hier gerade doch erst das analoge Internet mit knatterndem Modem weit verbreitet in die Haushalte einzog.