Rezension

Neoviktorianischer Schmöker

Das karmesinrote Blütenblatt
von Michel Faber

Bewertet mit 5 Sternen

Der neoviktorianische Roman „Das karmesinrote Blütenblatt“ ist einfach toll! Schade, dass Faber sich zurückgezogen hat! Im Prinzip handelt es sich um ein Sittengemälde, die Bigotterie im viktorianischen England wird entlarvt:

„ London 1874: William Rackham, glückloser und zu Müßiggang neigender Erbe eines Parfümimperiums, trifft auf Sugar, die das Schicksal der anderen Huren der Stadt teilt. Und doch strahlt sie etwas aus, das sie über die anderen erhebt und ihr den Luxus erlaubt, mit nur einem Liebhaber am Tag ihr Auskommen zu finden. Auch William Rackham verfällt ihren Künsten, so sehr, dass er Sugar fast zum Verhängnis wird. Ein erotischer Roman, der meisterhaft mit den Mitteln der erzählerischen Verführung spielt - vor allem aber eine unvergessliche Geschichte um die Hoffnungen und Täuschungen der Liebe.“

Der Stil ist einfach wunderbar, der Erzähler neckt, kommentiert, nimmt den Leser regelrecht an die Hand. Ich war schon nach der Lektüre der ersten Seiten regelrecht gefesselt und ich wollte unbedingt wissen, wie es weiter geht. Faber präsentiert im Roman keinen Regency – oder Viktorianismuskitsch. Das Leben der Armen präsentiert er in aller Härte (hallo, Dickens!) und die Langeweile der Aristokratie zeigt er in aller Deutlichkeit. Obwohl man als Leser über etwas Sitzfleisch verfügen muss, wird es doch nie langweilig, aber man muss ausführliche Beschreibungen mögen. Die Figurenzeichnung ist einfach klasse – die Protagonistin Sugar ist eine Figur wie keine zweite. Geplagt von diversen Wehwechen, eigentlich zu hässlich und zu dürr, schafft sie es doch, Rackham zu begeistern. Er verfällt der belesenen Hure (und Hobbyautorin) regelrecht. Überhaupt die Figuren! Da ist William, seine irre Ehefrau, Sugar. Außerdem eine Vielzahl von interessanten Nebenfiguren. Ich bin beim Lesen richtig in eine vergangene Zeit eingetaucht und ich war froh darüber, dass das Ganze nicht nur eine Aneinanderreihung von erotischen Szenen ist.

Übrigens gibt es mittlerweile auch eine Serienadaption der BBC mit Romola  Garai in der Hauptrolle – „The Crimson Petal and the White“.

Fazit: Ein toller Schmöker. Ich vergebe die volle Punktzahl !