Rezension

Nett zu lesen, aber für mich nicht immer ganz überzeugend

Allee unserer Träume - Ulrike Gerold, Wolfram Hänel

Allee unserer Träume
von Ulrike Gerold Wolfram Hänel

Bewertet mit 3 Sternen

Ilse Schellhaas kann sich schon als Kind für die architektonischen Zeichnungen ihres Vaters begeistern und begleitet ihn häufig ins Büro. Jahre später, der Zweite Weltkrieg ist bereits vorbei, taucht Ilse wieder auf, nämlich bei einer Architektenrunde, die mit dem Entwurf eines Vorzeigeprojekts der DDR befasst ist. Es soll eine Prachtstraße mit Wohnungen für Arbeiter entstehen. Ganz im sozialistischen Sinne träumt Ilse davon, Wohnkomfort auch für Arbeiter erschwinglich zu machen. Doch als Frau hat sie es nicht leicht in einer Runde aus Männern mit großen Egos, die alle ihre eigenen Vorstellungen in dem Projekt unterbringen und sich somit unsterblich machen wollen. Und dann hat Ilse da auch noch ein Geheimnis, dessen Entdeckung sie ihren großen Traum kosten könnte. Denn ausgerechnet in der Architektenrunde taucht jemand aus ihrer Vergangenheit auf, der sie entlarven könnte ...

Mich hat vor allem angesprochen, dass dieser Roman von einer Prachtstraße handelt, die es heute - allerdings bei weitem nicht mehr so prachtvoll - gibt. Besonders pikant: gerade diese erschwinglichen Wohnungen für Arbeiter sind derzeit prominent in der Presse vertreten, weil sie von Spekulanten aufgekauft werden sollen, die für ihre massiven Mieterhöhungen und schlechte Behandlung ihrer Mieter bekannt sind. Aber das nur am Rande; zurück zur Geschichte um Ilse und der Zeit, als diese in Berlin durchaus noch sehr bekannte Straße zur Entstehung kam. Während Ilse schon von den Bauten träumt, liegen links und rechts der Wege noch die Trümmer des Krieges, die vor allem von Frauen beseitigt werden. Hier haben wir also das erste große Thema: Trümmerfrauen. Doch die Autoren haben sich noch viel mehr große Themen vorgenommen: die Vergangenheit jedes einzelnen unter den Nazis, die Einschränkung der freien Meinungsäußerung in der DDR, die Rolle der Frau in den 1950ern, geheime Clubs und Vergnügungen, Demenz, Homosexualität als Verbrechen, soziale Unruhen, etc. Es hätte dem Buch meiner Meinung nach gut getan, sich auf weniger Themen zu beschränken und sie dafür noch weiter auszubauen und spannend zu gestalten. Denn für mich schleppte sich die Geschichte über etliche Teile einfach nur dahin, ohne dass es wirklich spannend war. Und gerade die Bedrohung, die der Klappentext andeutet, verpufft auf einmal irgendwie sang- und klanglos.
Insgesamt war die Geschichte nett, aber eben nicht mehr. Und auch wenn sie (teilweise) auf wahren Begebenheiten beruht, waren mir einige Entwicklungen zu konstruiert, besonders das einschneidende Erlebnis, dass die Beziehungen der zentralen Figuren untereinander zerstört. Ilse ist mir nie wirklich nahe gekommen und ich konnte keine emotionale Bindung zu ihr aufbauen. Im Nachhinein habe ich auch noch ein Interview mit den Autoren gelesen, die von den Schwierigkeiten erzählten, diese Geschichte rund zu machen und welche harte Arbeit das mitunter war. Und leider ist das genau das, was ich beim Lesen manchmal empfunden habe. Als wäre die Geschichte mitunter harte Arbeit gewesen.